Ganz so wie es sich für ein Berggasthaus gehört: Zum Raimartihof kommt man nur zu Fuß oder mit dem Rad. Das Auto wartet hübsch deponiert am Wanderparkplatz, etwa eine Stunde Gehzeit entfernt. Einfache Strecke. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen zählt Bernhard Andris bis zu 400 Gäste an Spitzentagen im August oder im Frühherbst, die im Hof der Familie einkehren.
Mehr als 300 Jahre alt ist das Haus mit den typischen Schwarzwaldholzschindeln, das direkt am Wanderweg zum Feldberg liegt und im Winter an der Loipe vom Hinterschluchsee nach Seebruck. Im weiten Kreis erheben sich mächtige dunkle Tannen, die das Gras auf der Weide noch grüner erscheinen lassen als es im Frühjahr ohnehin ist. Wiesenblumen und Kräuter haben den Hang hinterm Haus bunt betupft.
Wir sind an diesem sonnigen Tag Ende Juni mit Patrick Faller unterwegs. Er: Rad-Profi, Olympia-Teilnehmer und Heimatbotschafter. Ich: Gelegenheitsfahrerin und voller Neugier auf drei Tage im Hochschwarzwald. Bloß gut, dass wir von Hinterzarten den Seebachweg durch das Tal mit dem E-Bike hinauf fahren, so blamiere ich mich ein bisschen weniger im Sattel.
Gemütlich trete ich etliche Höhenmeter nach oben und freue mich schon auf selbst gemachte Holunderschorle und Bibiliskäse mit Brägele, die im Raimartihof auf uns warten. Für alle Nicht-Baden-Württemberger: Das ist so was Ähnliches wie Kräuterquark mit Bratkartoffeln. Einfach und lecker. Manche Gäste kommen ausschließlich wegen dem Essen her: beste Hausmacherküche aus dem, was Hof und Jagd hergeben. Rehe und Gamswild zum Beispiel. Oder Galloway-Rinder, die neben uns auf der Wiese grasen. Durch ihr genügsames Wesen lassen sie sich selbst in solch höheren Lagen des Schwarzwaldes problemlos halten.
Der 81 Hektar große Hof ist einer der wenigen im Hochschwarzwald, die ganzjährig bewirtschaftet sind. Der Winter kommt früh und bleibt bis zu sechs Monate lang hier oben auf 1108 m. Lange genug, dass es schon mal in die Heuernte schneit und die Kartoffeln in der Erde erfrieren, erzählt Bernhard.
Sein Urgroßvater hat früh erkannt, dass Gästezimmer und eine Schankwirtschaft wirtschaftlich lukrativer sind als Landwirtschaft allein. Einfach war das trotzdem nicht, als er 1892 die Konzession erhielt. Fast hundert Jahre später erst wurde das Haus am Feldberg ans öffentliche Stromnetz angeschlossen. Unverändert ist die familiäre Gastlichkeit.
Übernachten kann man heute in einem der Hislis, die zum Raimartihof gehören oder ganz spartanisch im Strohlager, dem luftigen Winterquartier der Rinder. Mit dem Unterschied, dass die Zweibeiner im Haus frühstücken dürfen.
Nur einen Steinwurf entfernt vom Raimartihof unser nächster Stopp: am Feldsee. Tiefdunkel liegt er da. Unberührt. Geheimnisvoll. Eingegraben zwischen steilen Felswänden, Sonnenstrahlen tanzen über das klare Wasser. Wie ein schwarzes Auge, das zum Feldberg hinaufschaut. Die eigentliche Attraktion sieht man nicht: das Stachelsporige Brachsenkraut. Ein Gras, das die letzte Eiszeit überlebt hat und nur noch im sauberen, nährstoffarmen Wasser des Feld- und (vereinzelt) Titisees wächst.
Hund und Mensch müssen draußen bleiben, sie würden dem Urkraut schaden. Zum Baden wäre mir der See ohnehin zu kalt, ich sitze lieber am Ufer und träume. Das heißt: würde ich gern. Patrick zeigt auf die Uhr, wir wollen noch zum Titisee. Also, aufsteigen und abwärts gleiten. Schön wär’s. Der Schotter schüttelt mich wie Bonds Martini, so dass ich fast bis zum Stillstand verlangsame und beinahe wegrutsche. Auch keine Option. Mit viel Respekt und vom Bremsen schmerzenden Händen schaffe ich es irgendwann unfallfrei bis zum Asphalt. Ab da rollt das Rad fast von allein zum Titisee und ich habe wieder Zeit, die Landschaft zu betrachten. Nur leider nicht die Hände frei zum Fotografieren.
Raimartihof · Gasthaus zum Feldsee, Raimartihofweg 12, 79868 Feldberg/Schwarzwald, Tel. +49 (0)7676-226, E-Mail: info@raimartihof.de.
Die Reise wurde organisiert und unterstützt durch die Hochschwarzwaldtourismus GmbH.