Wahrscheinlich kann er die Frage schon nicht mehr hören. Doch Edouard ist viel zu höflich, als das zu sagen. Also, Herr Hirsinger, warum sind Sie so schlank, wo Sie doch den ganzen Tag mit Schokolade arbeiten?
Edouard Hirsinger, Jahrgang 1963, trägt eine schmale, weiße Jacke mit der Trikolore am Kragen, die ihn als MOF erkennen lässt: Meilleur ouvrier de France. Seit 1996 darf er sich so nennen, da wurde er als Bester Chocolatier Frankreichs ausgezeichnet.
Mit 33 Jahren beruflich die Spitze zu erreichen, ist das eine. Oben zu bleiben, das andere. Die wahre Herausforderung.
Kreativität, die schmeckt: Schokolade mit Absinth, Rucola oder Farn
Edouard experimentiert viel in seinem Schokoladen-Laboratorium in Arbois, wie er die kleine Küche hinterm Laden nennt. Kardamom, Absinth, Enzian – die Liste der Zutaten ist lang und exotisch. Immer neue Kreationen erfindet er. Die alten lässt er trotzdem im Sortiment, weil die Kunden ihre Lieblingsschokolade sonst vermissen würden, sagt er. Vielleicht aber auch, weil ihm jede einzelne am Herz liegt. Auf 70 Sorten ist das Sortiment mittlerweile angewachsen.
Um den Überblick zu behalten, hat er sich ein simples System ausgedacht: Farbige Punkte auf der Schokolade verraten, woher der Kakao stammt. Rot heißt zum Beispiel, die Bohnen sind in Bolivien gewachsen. Die saisonalen Schokoladen erkennt man an der Anzahl der Punkte, im Frühling erhalten alle einen, im Sommer zwei und so weiter. Genial einfach und schön sieht es auch noch aus.
Und der Geschmack erst. Himmlisch. Mein Favorit heißt Quadro: Ganache mit Früchten, Gelee und Marzipan, alles mit dunkler Schokolade umhüllt. Super lecker sind aber auch die Kreationen mit Ingwer, Mandel und Anis. Oder die Frühlings-Schokolade mit Waldmeister und Löwenzahn.
Während ich mich durch das Sortiment von Monsieur Hirsinger nasche, erzählt er von Rohstoffen und seiner Philosophie, zu der gehört, die Produkte auf die jeweilige Jahreszeit abzustimmen.
Viele der Zutaten wachsen im eigenen Garten, direkt an seinem Haus in Arbois. Selbst Artemisia absinthium, das Wermutkraut, das nicht nur dem Absinth, sondern auch Schokolade ein ganz besonderes Aroma verleiht. In der hintersten Ecke summt es rund um den Bienenstock, Honig mit Schokolade passen einfach ideal zu einander, schwärmt Edouard.
Die Haselnusspraline nach dem Rezept von 1900 gibt’s heute noch
Bei aller Kreativität, mit der er immer wieder an spannenden Kombinationen tüftelt, Tradition ist mit dem Haus Hirsinger untrennbar verbunden. Edouard betreibt das Geschäft jetzt in der vierten Generation. Ursprünglich stammt die Familie aus dem Elsass, daher der für die Region ungewöhnliche Name. Das Geschäft in Arbois eröffnete der Urgroßvater vor mehr als hundert Jahren. Die Ladenfassade von 1870 haben die Hirsingers aufgehoben und im Keller ein Museum eingerichtet. Mit Geräten, die sich im Laufe der Jahrzehnte angesammelt haben und alten Vitrinen von früher. Eine Zeitreise in Sachen Chocolat Hirsinger.
Nur das Original-Rezeptbuch seines Großvaters ist dort nicht ausgestellt, das hütet Edouard wie einen Schatz in seinem Büro. Die erste Spezialität, datiert im Jahr 1900, schmeckt nach Haselnuss. Und ist immer noch im Angebot.
Das wurde nicht nur größer im Laufe der Jahre, sondern auch vielfältiger. Bei Hirsinger gibt’s heute auch Eis und Kuchen, alles selbst hergestellt, versteht sich. Bei schönem Wetter kann man draußen auf der Terrasse des Cafés sitzen. Den Roh-Kaffee kauft Edouard direkt. Von einer Plantage in Peru, 1.500 Meter hoch gelegen, Bio-Qualität. Geröstet wird er in Arbois.
Gefühlt habe ich nach unserem Gespräch rund ein Kilo Schokolade vertilgt. Nur ein winziges Stückchen pro Sorte, trotzdem, die Kalorienzufuhr ist beträchtlich.
Ach ja, die schlanke Linie. Die hält er mit Marathonlaufen, sagt Edouard zum Abschied. Hätte ich mir denken können. Je größer eine Herausforderung, desto reizvoller für ihn.
Chocolats Hirsinger, 38 Place de la Liberté, 39600 Arbois, www.chocolat-hirsinger.com
Meine Reise wurde unterstützt vom Comité Régional du Tourisme der Franche Comté und Atout France.
3 Kommentare
Ich schau gleich mal bei Google Maps, wo der Ort liegt. Das wäre ein phantastisches Reiseziel für mich 🙂
Danke für die Inspiration. Ich sollte künftig eine Karte jeden meiner Artikel einbauen, da hast du recht.
LG Tanja
Arbois kann man gut verbinden, wenn man Richtung Süden unterwegs ist. Vielleicht passt das ja für deine Sommerpläne in Frankreich.