Alles liegt dicht beieinander: Du läufst die Langstraße runter und denkst an die Reeperbahn, ein bisschen verrucht, die Gegend. Kaum einen Kilometer weiter: ein Mix aus Champs-Élysées und Wall Street im Miniformat – die Bahnhofstraße. Unten am Zürisee: Dolce Vita mit Alpenblick. Und wenn du ein paar Stationen mit der Tram Richtung Westen fährst, erlebst du, wie Zürich sich gerade neu erfindet.
Ein Streifzug an einem Tag im November.
Zürich – Stadt der Gegensätze
Kann man in Zürich klassischer in den Tag starten als mit einem Bircher Müsli? Ich glaube nicht. Und wenn schon, denn schon: Wir frühstücken im Café Sprüngli am Paradeplatz. Dort jedenfalls rühmt man sich, das beste Müsli zu servieren. Übertrieben ist derartiges Selbstbewusstsein durchaus nicht, ich habe noch kein besseres gegessen.
Anschließend schlendern wir vorbei am Fraumünster mit den Chagall-Fenstern, am Limmatquai entlang ins Altstadtquartier Niederdorf mit den hübschen, kleinen Boutiquen, Kopfsteinpflaster und verschachtelten Gassen.
Einfach zu schön, um daran vorbeizugehen: H. Schwarzenbach, ein Tante-Emma-Laden mit dem Charme längst vergangener Zeiten. Ich fühle mich wie im Kaufmannsladen meiner Kindheit. Ein bisschen Tee von dem, ein paar Sorten getrocknete Feigen und Aprikosen … die feinen Sachen sind so appetitlich präsentiert, dass man gar nicht anders kann als kaufen.
Bei der Mühlegasse wechseln wir wieder ans andere Limmat-Ufer und bummeln durch eines der ältesten Quartiere der Stadt: die Schipfe. Die Häuser, windschief und kaum größer als wir, schmiegen sich unterhalb vom Lindenhof an die Limmat. Schmucke Lädchen, die sich wohltuend abheben vom Massenmarken-Angebot der meisten Innenstädte.
Auf der berühmten Bahnhofstraße kommen wir schließlich zum Bahnhof und von dort ins trendige Zürich-West, dem aufstrebenden ehemaligen Industrieviertel.
13 Uhr, Lunchzeit im Neni. Das Lokal im Stil der 50er Jahre befindet sich im 2012 eröffneten Designhotel 25hours. Die Speisekarte: israelisch und orientalisch orientiert, das Flair: locker und geschäftig. Wir bestellen nur eine Kleinigkeit, zu groß ist die Vielfalt im Kreis 5, die noch auf uns wartet.
Am Bahnhof Hardbrücke und kaum zu verfehlen: der Freitagturm. Eigentlich sind es nur ein paar übereinandergestapelte Container, in denen auf vier Etagen die berühmten Freitag-Taschen, aus ausrangierten LKW-Planen gefertigt, verkauft werden. Ein Muss für Taschenfans: Das ist wie mit Schuhen – man hat nie genug.
Viadukt – Flaniermeile und Architekturhighlight
Ein paar Schritte weiter lauern auf einer Länge von etwa 500 Metern mehr als 50 weitere Geschäfte: Im Viadukt ist ein Konzept, mit dem in die 53 Viaduktbögen des 1894 erbauten Eisenbahnviadukts in Zürich-West wieder Leben einkehrte. Mode, Accessoires, Ateliers, Küchenutensilien, Möbel – wirklich für jeden ist was dabei. Die ersten Läden eröffneten 2010.
Am Ende der Viaduktstraße, wo sich der Wipkinger- und der Letten-Viadukt trennen, entstand an der Limmatstrasse die erste Markthalle in Zürich. Etwa 20 Bauern und Händler aus der Region bieten dort ihre Waren an.
Linker Hand liegt das Löwenbräu-Areal mit Kunstgalerie, Museum und Lokalen, von wo wir mit der Tram zurück zur Hardbrücke fahren.
Es ist fast 17 Uhr und was wäre besser geeignet für den Aperitif, Sundowner oder einfach nur eine kleine Pause als Zürichs höchstgelegenes Bistro, Bar und Restaurant: das Clouds im Prime Tower.
Der verspiegelte Aufzug katapultiert uns geräuschlos in den 35. Stock – und Zürich schrumpft zu einer riesigen Modelleisenbahn. Der Kaffee wird zur Nebensache, unser Blick folgt den Zügen, die wie ferngesteuert durch das Gleisgeflecht vom und zum Hauptbahnhof gleiten. Doch die Crème Catalan mit Limetten-Zimt-Eis verdient bald wieder unsere volle Aufmerksamkeit – einfach köstlich.
Zurück auf dem Boden, gehen wir nebenan in Frau Gerolds Garten. Das urbane Projekt zwischen Freitagturm und Prime Tower lockt seit 2013 auch in der kalten Zeit: Käsefondue in der Winterstube mit Kamin. Überhaupt könnten wir hier tagelang essend durch die Gegend ziehen, es würde nicht langweilig werden in Zürich-West.
Langsam wird es dunkel, der Rhythmus der Nacht übernimmt in den Clubs der Stadt. Ein anderes Mal vielleicht, für uns heißt es leider Abschied nehmen.
Was wir nicht mehr geschafft haben, aber das nächste mal ganz sicher auf den Plan kommt:
– auf den Uetliberg wandern
– ins Thermal-Spa im Hürlimann-Areal eintauchen
– im Fischers Fritz Fischknusperlis aus dem Zürisee probieren
Übrigens: Zürich ist 2014 die Stadt mit der zweithöchsten Lebensqualität weltweit, hinter Wien, sagt eine jährliche Studie der Beratungsgesellschaft Mercer in 223 Großstädten.
Anreise & Infos:
Sprüngli, Bahnhofstraße 21 (Paradeplatz)
H. Schwarzenbach, Münstergasse 19
Restaurant Neni (im 25 hours Hotel), Pfingstweidstraße 102
Freitag Flagship Store, Geroldstraße 17
Frau Gerolds Garten, Geroldstraße 23
Clouds (im Prime Tower), Maagplatz 5
Nach Zürich West kommst du mit der Tram 4 oder 13 direkt vom Hauptbahnhof (z.B. bis Haltestelle Hardbrücke)
2 Kommentare
Ach super, vielen Dank für die tollen Bilder. Als Hochzeitsfotograf bin ich sehr dankbar für solche Impressionen.
Liebe Grüsse aus Luzern