Träume ich noch oder ist das … Blasmusik? Um sieben Uhr in der Früh bringt uns der örtliche Musikverein ein Ständchen. Vermutlich haben sie aber nur geprobt für den Auftritt am Maifeiertag.
Gut geschlafen haben wir jedenfalls und zum richtig Wachwerden gibt’s jetzt erstmal einen heißen Tee aus unserer Womo-Bordküche. Hunger haben wir nach der gestrigen Spätzle-Orgie noch keinen.
Es ist kurz nach zehn, der Parkplatz am Bauernhaus-Museum heute rappelvoll: Kräuter- und Blümlesmarkt. Weder knöcheltiefe Pfützen noch Schlamm schrecken die Besucher. Körbeweise schleppt man Kräuter, Blumen, Stauden und was für’s heimische Freiluftparadies sonst noch taugt zum Auto.
Treffpunkt Kräuter- und Blümlesmarkt
Inmitten von Gärten, Weihern und Streuobstwiesen gelegen, geben die 16 Häuser des Bauernhaus-Museums Wolfegg während einem zweistündigen Dorfrundgang Einblick in das Leben der Bauern und Tagelöhner früherer Jahrhunderte.
In der Zehntscheuer und dem Blaserhof wird zudem das Kapitel der Schwabenkinder erzählt. Vom 17. bis 20. Jahrhundert wurden tausende Kinder zwischen 6 und 14 Jahren als Knechte und Mägde nach Oberschwaben geschickt, um auf den Bauernhöfen zu arbeiten. Sie stammten aus kinderreichen Familien in Südtirol oder Graubünden, deren Lebensgrundlage nicht für alle reichte. Vermittelt wurden die Kinder jedes Jahr im März auf dem Hütekindermarkt in Ravensburg. Manche hatten bis zu 250 Kilometer hinter sich gebracht – bis zum Bau der Eisenbahn zu Fuß.
Sonn- und feiertags heizen die Landfrauen die Museumsküche an und kochen „Versucherle“. Zum Kräuter- und Blümlesmarkt duftet’s an allen Ecken. Nur Bienen und Schmetterlinge müssen noch warten bis all die Sommerblütenwiesen- und Wildblumensamenmischungen gesät und aufgegangen sind, die auf dem Markt verkauft werden. Für unseren Fünf-Quadratmeter-Balkon würde so eine Tüte gerade reichen, die Nachbarschaft aber womöglich nicht ganz so glücklich sein über derartigen Wildwuchs im Wohngebiet.
Und das hat Wolfegg sonst noch zu bieten: das Automuseum von Fritz B. Busch mit 200 Oldtimern, zwei fast 170jährige Linden auf dem Maximiliansplatz und fantastischen Käsekuchen im Café am Schlossplatz. Bei schönem Wetter im Kastaniengarten mit Vintage-Deko und Smoker.
Womo-Tour Tag 2: Von Wolfegg nach Isny
Wir nehmen Kurs aufs Allgäu. Nach Wangen werden die allgäutypischen grünen Grashügel zahlreicher, Grauvieh dekoriert die Landschaft, einer Modelleisenbahn ähnlich. Nächster Stopp: Stellplatz Alte Mühle in Isny, direkt am Flüsschen Ach. Isny bedeutet übrigens sinngemäß bewegtes Wasser. Stimmt. Heute von oben nach unten.
Isny im Allgäu
Die mittelalterliche Altstadt wurde als Oval angelegt mit einem Straßenkreuz nach italienischem Vorbild, erklärt Stadtführerin Gabriele Koeppel-Schirmer. Sehenswert und bei einem einstündigen Spaziergang gut zu erkunden sind Nikolaikirche, Kirche St. Georg und Jacobus mit Marienkapelle, Wehrgang und das Schloss. Die Kunsthalle im Schloss beherbergt neben Bildern und Skulpturen des Isnyer Künstlers Friedrich Hechelmann die Städtische Galerie mit wechselnden Ausstellungen. Bis Juni 2015 sind das Werke von Otl Aicher, dem „grafischen“ Vater der Stadt in Schwarz-Weiß, wie Isny sich selbst nennt. Bekannt wurde Aicher durch die visuelle Gestaltung der Olympischen Spiele 1972 in München. In Isny sind dessen schwarzweiße Piktogramme längst zum Markenzeichen geworden.
Umso bunter der Architekturmix: Patrizierhäuser, Barock, Renaissance, Jugendstil. Zwinghof und Winzerheim (an dieser Stelle sollen einst 437 Rebstöcke gestanden haben) der Immobilienbarone Immler, die ein kühnes Stadttor aus 250.000 Glassteinen bauen wollten – entworfen von Peter Zumthor. Zu verwegen für viele Isnyer, fast drei Viertel stimmten dagegen. Saniert und modernisiert wird dennoch, die südliche Altstadt erhält in den nächsten Jahren ein neues Gesicht. Nach altem Muster.
Ein nicht ganz unwichtiges Kapitel in der Stadtchronik: die Familien-Brauerei Stolz, im 18. Jahrhundert gegründet und heute die letzte in Isny, früher waren es ganze 13! Knuspriger Schweinsbraten im Biersud und Schnitzel mit Malzpanade sind der würdige Abschluss dieses geschichtsträchtigen Tages und Vorfreude auf die Gourmet-Wanderung morgen.
Und das geschah bisher bei unserer Womo-Tour:
Tag 1: von Bad Waldsee nach Wolfegg
Weitere Informationen:
Bauernhaus-Museum Wolfegg, www.bauernhaus-museum.de
Café am Schlossplatz, Wette 2, 88364 Wolfegg, http://www.cafe-am-schlossplatz.de
Kunsthalle im Schloss Isny, Schloss 1, 88316 Isny, www.kunsthalle-schloss-isny.de
Brauereigasthof Engel, Bahnhofstraße 36, 88316 Isny, http://www.engel-isny.de
Wohnmobilstellplatz „Untere Mühle“, Seidenstraße 43, 88316 Isny
Die Reise wurde unterstützt durch Oberschwaben Tourismus, Carthago und Fritz Berger.
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