Es fühlt sich an, als würden tausend kleine Käfer über meinen Körper spazieren, es piekst an allen Ecken. Ich atme den Duft einer frisch gemähten Bergwiese und in der wohligen Wärme fallen mir bald die Augen zu – ein Nickerchen im Heu ist die Allzweckwaffe schlechthin, wenn der Rücken schmerzt.
Das Heu stammt von den Bergwiesen im Allgäu, die mehr als 1100 Meter hoch liegen. Nur einmal im Jahr dürfen diese gemäht werden. Früher fütterte man mit dem Heu im Winter das Vieh, doch das lohnt sich nicht mehr. Silage und mehrere Grasschnitte im Jahr sind für die Bergbauern lukrativer. Arnika, Flockenblume, Labkraut, Enzian und reichlich mehr Kräuter wachsen dort oben unbelastet und frei von Dünger. Einer hat mal nachgezählt: Bis zu 75 verschiedene Sorten wachsen auf einem Quadratmeter Alpwiese, erzählt Angelika Wohlfart-Reich.
Die Familie besitzt in Pfronten einen Landhof mit Pferdezucht und bietet Ferien auf dem Bauernhof an, bei denen sich die ganze Familie wohlfühlt. Während die Kinder reiten, entspannt Mama im Heubett. Die ausgebildete Klimatherapeutin hat sich auf Heuanwendungen spezialisiert – von Heuwickeln bis zur Aroma-Massage mit duftendem Heuöl. Im Keller gibt es Sauna und Tipidarium. Das Modell für die Liegen entwarf und änderte sie solange, bis diese ihren ergonomischen Anforderungen genügten. Als Material dienen Steine aus der Vils, die salamiartig aufgeschnitten und wie ein Mosaik zusammengesetzt wurden. “Wir haben bei den Kühen beobachtet, dass diese sich gern auf die Flusssteine legen, um kleine Wehwehchen zu kurieren”, erzählt die herzliche Pfronterin.
Unter dem Begriff Alpenwellness vermarkten derzeit rund 40 Partnerbetriebe im Allgäu ihre Kompetenz in Sachen Gesundheit und Wohlfühlen, von der Pension bis zum Top-Hotel. Um Heu dreht es sich bei vielen. Bei manchen sogar in der Küche.
Duftet und schmeckt: Heu von den Allgäuer Alpen
Kräutrig, aromatisch und doch subtil. In der Heusuppe schwimmt kein trockener Halm und auch die Bayerische Creme vom Bergwiesenheu schmilzt zart auf der Zunge. Was bleibt, ist der ganz besondere Geschmack von frischem Heu.
Bei Christian Berwanger kommt Heu auf den Tisch. Der Küchenchef vom Berwangerhof in Obermaiselstein kocht mit dem getrockneten Gras von den Alpen. Zunächst bereitete er Fleisch im Heumantel zu, ganz traditionell. Er hatte auch die Idee mit den Allgäuer Heuwirten. Gemeinsam tüftelten die Kollegen, was man denn noch so anstellen könnte mit Heu. Der 32-jährige experimentierte weiter. „Die Aromen sind extrem flüchtig, man muss sehr auf die Temperatur achten“, verrät Berwanger. Gut funktioniert das mit einer Art Aufgussbeutel, wie beim Tee kochen. Außer bei Desserts oder Parfaits, das klappt besser mit Heudestillat. Selbst einen Heuschnaps hat der kreative Koch kreiert. Basis ist ein Brand von den Streuobstwiesen am Bodensee. Der Obstler wird zweifach destilliert und tropft anschließend durch ein Filtertuch mit Heu. Der Bernsteinton resultiert daraus und nicht wie vermutet durch eine Reife im Holzfass.
Wer will, kann im Berwanger Hof vor dem Essen auch Heu baden. Zwei urige Kraxen stehen eigens dafür bereit. In die setzt man sich, nur bekleidet mit einem Leinenkittel hinein – und lässt das Heu wirken. Und wie das wirkt! Im Allgäu wissen sie das nicht erst seit heute. Wenn es bei der Heuernte wieder mal zu spät wurde, um ins Tal zu gehen, schliefen die Bergbauern gleich im frisch gemachten Heu. Durch die feuchte Wärme am Rücken waren am nächsten Morgen die Schmerzen der Knochenarbeit weggeblasen. “‘S isch halt saugesund”, kommentiert Christian.
Hotel Berwanger Hof, Niederdorf 11, 87538 Obermaiselstein, Tel. 08326-36330
Landgut Wohlfart-Reich, Tiroler Str. 1111a, 87459 Pfronten-Steinach, Tel. 08363-5303, www.landgut-wohlfart.de
Der Aufenthalt erfolgte während einer Pressereise, die von der Allgäu GmbH organisiert und unterstützt wurde.