So schwäbisch wie die Kehrwoche: Besenwirtschaften. Den Wein direkt beim Winzer genießen, dazu eine hausgemachte Vesper – so einfach kann Glück sein. In Gerlingen durfte ich hinter die Kulissen blicken – als Aushilfe bei den Vorbereitungen.
(Enthält Werbung und Weinbesenliebe) Der Tag beginnt früh für Steffi Volz, oft schon um fünf oder sechs Uhr morgens. Schließlich muss bis 11 Uhr alles fertig sein, wenn die ersten Besen-Gäste auf der Schwelle stehen.
Als ich an diesem Vormittag auf dem Hof in Gerlingen ankomme, duftet es köstlich nach frischem Brot. Die erste Ladung ist bereits im Ofen hinter dem Haus.
Es gibt Restaurants, Cafés, Bars, Kneipen und jede Menge gastronomische Konzepte dazwischen. Und es gibt Besen. Genauer: Besenwirtschaften, auch Straußwirtschaften genannt.
Die Weinlokale der etwas anderen Art kann man mit nichts vergleichen. Sie haben ein ganz eigenes Flair und auch die Gäste sind anders drauf als in anderen Lokalen.
Inhaltsverzeichnis
So schwäbisch wie die Kehrwoche: Besenwirtschaften
Besenwirtschaften sind Wirtschaften auf Zeit, die von den Winzern für maximal vier Monate im Jahr betrieben werden dürfen, meist auf mehrere Termine verteilt. Erkennbar sind diese durch einen Reisigbesen an der Tür.
Einem Erlass von Karl dem Großen im Jahr 812 zufolge dürfen die Weinbauern in dieser Zeit ihre eigenen Weine ausschenken. Maximal 40 Sitzplätze sind erlaubt, ohne dass sie dafür eine Gaststättenerlaubnis benötigen.
Zusammenrücken in der Wirtschaft im Wohnzimmer
Früher räumten die Wengerter dafür ihre Wohnzimmer aus, inzwischen dienen auch Scheunen oder Garagen als Besenwirtschaft. Was bis heute gleich ist: Man rutscht auch mit wildfremden Menschen zusammen, damit jeder einen Platz findet. Und nirgendwo sonst kommt man mit anderen leichter ins Gespräch als in einem Besen.
In der Volzschen Besenwirtschaft machen sie soviel wie möglich selbst: den Wein sowieso, aber auch Wurst, Obstbrände, Kuchen und eben das Besenbrot.
Weinlaube Brückle in Gerlingen: selbst gebackenes Besenbrot aus dem Holzofen
Angesetzt wird der Sauerteig bereits am Vortag. An nächsten Morgen heißt es dann gründlich und lange kneten. Das übernimmt zum Glück die Maschine. Um die späteren Laibe zu formen, füllen wir den Teig in bemehlte Formen. Nochmal kurz gehen lassen und dann ab damit in den Ofen. Dafür müssen die Körbchen geleert und die rohen Teiglaibe fix mit dem Holzschieber auf der heißen Bodenplatte verteilt werden, was etwas Geschick erfordert.
Puh, gut gegangen, alle Teiglinge sind unversehrt im Ofen. Bei 300 Grad Celsius backen die 12 Vier-Pfund-Brote jetzt für etwa 50 Minuten.
Zeit, um den Kartoffelkuchen vorzubereiten: Gekochte Kartoffeln reiben (Steffi verwendet dafür praktischerweise eine Spätzlepresse, funktioniert wunderbar), Eier, Gewürze, Quark und Butter verrühren und die Masse anschließend auf einen Hefeteigboden geben.
Da in der Küche für mich nun erst mal nichts weiter zu tun ist, mache ich einen Spaziergang in die Weinberge – gemeinsam mit Corinna Sadlo und Hans-Jürgen Schopf, zwei weiteren Winzern in Gerlingen.
Weine von Gerlinger Steillagen
Als Weinort ist die Gemeinde heute ein Winzling mit rund sieben Hektar Anbaufläche. Ganz anders im Mittelalter, damals betrug die Rebfläche 140 Hektar. Die ersten Stöcke pflanzten die Mönche vom Kloster Hirsau im 12. Jahrhundert. Auch die Rebe im Stadtsiegel und der Urbanbrunnen vor dem alten Rathaus belegen die lange Weinbautradition in Gerlingen. Mehr noch: Wein war ein Volksnahrungsmittel (und reiner als Wasser).
Doch die klimatischen Bedingungen waren nicht einfach, die Ausrichtung der Weinlagen nicht optimal, damit die Trauben richtig ausreifen. Dass man im Laufe der Jahrhunderte (anders als die Mönche anfangs) auf Masse setzte, förderte ebensowenig die Qualität.
Die Folge: Die Gerlinger Winzer ernteten reichlich Spott angesichts der säurereichen Weine. Als eine Braut einst Gerlinger Wein mit in die Ehe brachte, hieß es, so bekomme das Wort Mitgift eine völlig neue Bedeutung.
Umso mehr bin ich gespannt auf die Weine von heute. Wir sind inzwischen auf dem Lettlenberg angekommen, einer der beiden Gerlinger Weinlagen.
Die Sicht reicht an klaren Tagen über Stuttgart hinaus bis ins Remstal, nach Norden bis zum Stromberg-Zabergäu. So nah an der Großstadt und doch so herrlich grün. Inmitten der Reben wirken die kleinen Winzerhäuschen wie Inseln – ein perfekter Ort für unsere kleine Weinprobe mit Weißburgunder, Merlot und einem Zweigelt Rosé.
Alle drei Weine machen Lust auf mehr und es gäbe auch noch einiges zu probieren, wenn ich mich umschaue, was im Lettlenberg sonst noch so wächst: Muskattrollinger, Trollinger oder Lemberger und einige andere Sorten.
Gemütlich unter Weinlaub vespern
Zurück in der Besenwirtschaft, sind jetzt kurz nach zwölf alle Tische besetzt. Das Brot ist fertig, der Kartoffelkuchen auch – Zeit für eine Vesper. Die Auswahl auf der Karte ist reichlich: von Leber- und Griebenwurst, Sülze, Rippchen mit Sauerkraut, Kesselfleisch bis zu Kuchen und Co., alles hausgemacht.
Dazu serviert Familie Volz in der gemütlichen Weinlaube natürlich die eigenen Weine aus Bio-Anbau: Kerner, Riesling, Gewürztraminer, Rotling, Trollinger oder Trollinger mit Lemberger. Ich probiere den Solaris, der wunderbar zu Sülze und Kartoffelkuchen passt. Ein Allrounder zum Essen wie auch der Silvaner.
Immer mehr Winzer setzen auf so genannte Piwi-Sorten (piwi = pilzwiderstandsfähig), die robuster im Anbau und unempfindlicher gegenüber Wetterkapriolen sind.
Übrigens: Südhang-Weinlagen gibt es immer noch keine in Gerlingen. Doch was die gut ausgebildete Winzergeneration heute ins Glas füllt, kann locker jedes Vorurteil ausräumen. Am besten, ihr probiert selbst. Aber nicht zu lange warten, sonst ist der Wein alle.
- Weinbau Volz & Weinlaube im Brückle, Im Brückle 3, Gerlingen, Di – So ab 11 Uhr, genaue Termine unter www.imbrueckle.de
- Weinbau Sadlo, In den Grundwiesen 12, Gerlingen, Vinothek in Gerlingen (Mi+Do 15-19 Uhr) und Besenwirtschaft in Rutesheim (Im Kalk 1), Termine unter www.sadlo.org
- Weinbau Schopf, Eltinger Straße 26, Gerlingen, Besentermine unter www.weinbau-schopf.de
Alle Besentermine in der Region Stuttgart.
Weinfest in Gerlingen: Immer am letzten Wochenende im Juni findet das Weinblütenfest statt, direkt in den Gerlinger Weinbergen.
Der Beitrag entstand in Kooperation mit der Stadt Gerlingen und der Regio Stuttgart Marketing- und Tourismus GmbH. Auf Art, Inhalt und Umfang hat dies keinen Einfluss, meine Meinung bleibt wie immer die eigene.
1 Kommentar
super Artikel, in diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen 🙂