Frische Luft und eine Landschaft, die zum Teil an nordische Gefilde erinnert – das Waldviertel wird gern auch als Sibirien Österreichs bezeichnet. Kann man durchaus positiv sehen, heißt es doch auch, dass die Region in Niederösterreich sich viel Ursprüngliches bewahrt hat. Und deshalb so interessant für Genießer ist.
Mit Austrian Air sind wir von Stuttgart nach Wien geflogen und von dort mit dem Mietwagen weiter gefahren. Das Waldviertel liegt eine reichliche Autostunde nordwestlich der Hauptstadt.
Inhaltsverzeichnis
Sonnentor: Kräuter und Gewürze mit allen Sinnen erleben
Unser erstes Ziel: das Kräuterdorf Sprögnitz bei Zwettl. Schon beim Aussteigen aus dem Auto wissen wir, dass wir richtig sind, so aromatisch riecht es hier.
Johannes Gutmann hatte in den 80er Jahren die Idee zum Bio-Anbau von Kräutern, ganz ohne chemische Behandlung. Er tingelte anfangs mit seinem Bauchladen über Märkte und zu Händlern. Galt nicht nur bei den Bauern als Spinner und überzeugte sie schließlich doch von der Alternative zum konventionellen Anbau. 300 sind es mittlerweile in Österreich, und weil halt nicht alles hierzulande wächst, noch ein paar mehr in Tansania, Rumänien und Albanien. Bekannt ist sein Unternehmen Sonnentor in Deutschland vor allem für guten Kräutertee, den es in Reformhäusern oder Bio-Märkten zu kaufen gibt.
Die heimischen Kräuter und Gewürze wie Koriander oder Fenchel wachsen vor allem im Linzer Raum bis zum Burgenland und Seewinkel, erfahren wir beim Rundgang durch das Lager. Sonnentor-Führer Willi erklärt den Produktionsprozess, und dass Qualität auch im großen Stil machbar sei, während riesige Säcke mit Zitronenmelisse, Gewürz- und Teemischungen unseren Geruchssinn stimulieren.
Das Sonnentor-Gelände ist ziemlich weitläufig. Auf dem Freihof beispielsweise kann man nicht nur in zwei komfortablen Schäferwagen übernachten, sondern auch den Rhythmus der Natur erleben.
Nebenan das Restaurant Leibspeis mit feiner, regionaler Küche. Klasse Idee: Auf einem Sideboard stehen verschiedene Sonnentor-Gewürze, bei denen man sich selbst bedienen kann zum Würzen. Uns steht der Sinn gerade eher nach Süßem wie der Mohn-Marille-Torte, mit der wir uns auf morgen einstimmen, wenn wir ins Mohndorf fahren. Doch erst decken wir uns im Fabrikladen noch mit Tee für zu Hause ein.
Waldviertler Mohn, das kulinarische Aushängeschild der Region
In Armschlag ist jeder Tag ein Mohntag, 1989 wurde der Ort zum Mohndorf ernannt. Schließlich wächst auf den umliegenden Feldern seit Jahrhunderten das bekannteste kulinarische Waldviertler Produkt, der Graumohn. Und die Minikörner werden hier richtig in Szene gesetzt: Es gibt einen Mohnlehrpfad, das “Mohnument”, den Mohngarten, den Mohnbauernladen, den Mohnwirt und die Mohnmühle Weinmann.
Bei unserem Besuch Mitte September feiert Armschlag 2018 den Mohn-Genussherbst. Die Leute aus den umliegenden Dörfern kommen in Tracht, Jung und Alt, ganze Familien strömen schon mittags auf die Festmeile. Mohnwirt Johann Neuwiesinger hat zusätzliche Tische und Stühle im Hof aufgestellt und serviert köstliche Mohnnudeln, Mohneis und in Mohn paniertes Schnitzel.
Das Stadl hat sich an diesem Wochenende in ein Café verwandelt, wo wir die typischen Mohnzelten probieren. Das ist eine Waldviertler Spezialität aus leichtem Kartoffelteig, der mit einer Mohn-Masse gefüllt und dann gebacken wird. An den Wänden hängen Gemälde mit, na klar, Mohnblumen.
Die blühen im Waldviertel nicht knallrot wie Klatschmohn, sondern rosa, lila und weiß. Wie hübsch das im Juli aussieht, vermittelt das “längste Mohnblumenbild der Welt”, auf das man in Armschlag besonders stolz ist – 270 Quadratmeter misst das Kunstwerk (siehe Titelfoto).
Nach so viel Mohngenuss kommt dann doch die Frage auf: Was ist eigentlich dran am sprichwörtlichen “Mohn macht dumm”? Google macht uns schlauer: Tatsächlich sind im Mohn Spuren von Opiaten enthalten (Morphium wird allerdings aus Schlafmohn gewonnen, nicht aus Speisemohn), doch laut Stiftung Warentest müsste man mehr als sechs Kilo Mohnkuchen essen, um eine gesundheitlich bedenkliche Menge zu erreichen.
Der Schatz im Waldviertel: Kriecherl
Satt und – Achtung Wortspiel! – glücklich berauscht fahren wir weiter zu einem Brenner, der ein anderes typisches Waldviertler Produkt herstellt: Kriecherl-Brand.
Christian Bisich ist im Hauptberuf Banker, aber nach Feierabend produziert er aus den Früchten der Streuobstwiese hinter seinem Elternhaus Hochprozentiges vom Feinsten.
Wir kommen versehentlich eine Stunde zu früh zum Treffen. Glück für uns, denn so können wir zuschauen, wie neue Maische in den Brennkessel kommt. Die erste Charge Rauhbrand ist soeben fertig geworden, später erfolgt ein zweiter Durchgang.
Klein Nondorf besteht nur aus ein paar Häusern, einer Kapelle, einer Handvoll Hühner und vielen Zikaden. Die Ruhe ist noch so ein Pfund, mit dem das Waldviertel wuchern kann. “Gehst hundert Meter in den Wald, triffst keine Seele mehr“, schwärmt der Brenner.
Zusammen spazieren wir über die Wiese mit seltenen Arten wie Speckbirne und Bergamotte-Birne, probieren reife Williamsbirnen direkt vom Baum. Christian zeigt uns die Kriecherl-Bäume, die wir glatt übersehen hätten. Erzählt von alten Apfelsorten, die nicht mal Pomologen, die er zu Rate zog, kennen.
In diesem Wildgarten hat die Natur das Sagen. Wie schön wäre es jetzt, eine Hängematte zwischen die Bäume zu spannen und den Wolken zuzuschauen.
Kriecherl ist eine Art Wildzwetschke, die auf den ersten Blick an Mirabellen erinnert. Die Früchte sind allerdings etwas größer und grünlicher sowie durch ihre Säure bestens zum Brennen geeignet. Kriecherl-Bäume standen früher an fast jedem Haus im Waldviertel. Nach und nach sind immer mehr verschwunden, zu aufwendig war der Obstanbau. Enthusiasten wie Christian und seine Kollegen vom Campus Edelbrand verhalfen dem Kriecherl zu einem Comeback.
Als wir wegfahren, nehmen wir außer einem Kriecherl-Brand noch den wunderschönen Blick auf die Burg Rappottenstein mit. Und denken so: Da hatten wir ja echt Glück in “Sibirisch-Österreich”, das uns mit herrlich warmen Herbsttagen und Sonne von früh bis abends verwöhnt hat.
Unsere letzte Station auf der kulinarischen Reise durchs Waldviertel führt uns nach Langenlois im Kamptal, ganz an der östlichen Grenze der Region.
Weitere Informationen und Tipps
Hinkommen:
Mit dem Auto von Wien in ca. 1 Stunde via Krems und St. Pölten.
Übernachten:
Wir haben im Faulenzerhotel in Friedersbach übernachtet. Weitere Empfehlungen für Hotels und Co. findet ihr hier auf der Waldviertel-Website.
Essen & Trinken:
Mohndorf Armschlag: www.mohndorf.at
Sonnentor Sprögnitz 15, Sprögnitz, www.sonntentor.com, Touren und Veranstaltungen,
Restaurant Leibspeis
Waldviertler Kriecherl, www.kriecherl.at
Mehr zum Waldviertel unter www.waldviertel.at und zum Urlaub in Niederösterreich unter www.niederoesterreich.at.
Die Reise erfolgte in Kooperation mit Niederösterreich Tourismus. Auf Art, Inhalt und Umfang meiner Artikel hat dies keinen Einfluss, meine Meinung bleibt wie immer die eigene.
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1 Kommentar
Ich und meine Familie wollen im Herbst nach St. Pölten und unsere Herbstferien dort verbringen. Das wird sicherlich toll, besonders wenn die Natur schon so herbstlich aussieht. Danke für die tollen Tipps, ich freu mich schon auf das Essen dort!