Die Véloscénie ist ein 450 Kilometer langer Radweg von Notre-Dame in Paris bis zum Mont Michel. Auf knapp 70 Kilometern führt die Tour durch die außerhalb Frankreichs wenig bekannte Region Perche – auf einer ehemaligen Bahntrasse vorbei an pittoresken Bahnhöfen in Condé-sur-Huisne, Bellou-sur-Huisne und Dorceau, über beeindruckende Eisenbahnbrücken wie die in Saint-Germain-des-Grois. Durch grüne Landschaften, malerische Dörfer mit Mühlen und Herrenhäusern, waldreiche Täler und weite Felder.
Die etwas andere Tour der France
Für eine Mehrtagestour fehlt mir die Zeit, deshalb entscheide ich mich für eine Kombination aus Véloscénie und einer der lokalen Rundtouren um Mortagne-au-Perche: “Dites-le avec des fleurs”. Am Morgen bringt Monsieur Meslé wie verabredet die Räder ins Hotel, so können wir direkt starten. Leider hat meins keinen Gepäckträger, zum Fotografieren fände ich es praktischer, nicht jedes Mal die Kamera aus dem Rucksack holen zu müssen. Wer mehrere Etappen fährt, sollte also bei der Bestellung sicherheitshalber nach Radtaschen fragen.
Der Einstieg in die Véloscénie (hinter dem Schwimmbad) ist etwas versteckt und von der Stadtmitte in Mortagne-au-Perche aus kaum bis gar nicht ausgeschildert. Dank meinem ortskundigen Guide aber kein Problem. Nach einem kurzen, holprigen Stück auf Schotter wird der Weg bald besser und auch für Gelegenheitsradler wie mich angenehm zu fahren. Auf der alten Bahntrasse nach Corbon rollen wir wie durch einen grünen Tunnel, sehr angenehm im Sommer. Immer wieder erhasche ich einen Blick auf die Landschaft, die sanften Hügel, goldgelbe Felder und imposante Herrenhäuser der Landgüter.
Am alten Bahnhof von Mauves-Corbon verlassen wir die Véloscénie für einen Abstecher zur Ferme des Cabrioles, wo Marine und Aurelien köstlichen Bio-Ziegenkäse produzieren. Der Hofladen ist nur am Wochenende geöffnet, anschauen kann man die Farm aber nach Vereinbarung auch unter der Woche. Die liegt übrigens wunderschön nahe Mauves-sur-Huisne. Eines der pittoresken Blumendörfer, deren Bewohner (keine 500) sich jedes Jahr aufs Neue übertreffen um den Titel Village Fleurie: Rosen, Hortensien, Dahlien, Lilien, Lavendel, Petunien, Margeriten und Dutzende anderer Sommerblumen zieren die Gärten.
Zurück auf der offiziellen Route kommen wir ein paar Kilometer später nach Corbon. Der geplante Stopp bei den Percherons auf dem Pferdehof Ferme de l’Absourdière fällt leider aus, da die Eigentümer verreist sind. Wie schade, aber einen kurzen Blick auf die Pferde kann ich am nächsten Tag trotzdem noch werfen.
Zum Mittagessen halten wir im Nachbarort Boissy-Maugis beim Café des Amis. In dem charmanten Tages-Bistro fühle ich mich tatsächlich gleich wie bei Freunden, die sich freuen, einen zu sehen. Und ärgere mich mal wieder, dass mein Französisch so eingerostet ist. Das Steak Tatare ist köstlich.
Die einzige Steigung unserer Tour wartet anschließend vor La Chapelle-Montligeon, der Ausblick auf die Basilika entschädigt aber für die kleine Anstrengung. Wie ein Monument ragt die Kirche aus der flachen Landschaft. Wie ein Leuchtturm, der ein bisschen zu groß geraten ist für die Insel. Was macht dieser Koloss aus Stein mitten im Nirgendwo? Die Antwort ist so ungewöhnlich wie das Bauwerk: Das war eine Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Leute im Dorf, die sonst keine Jobs fanden. Fast hundert Jahre bauten sie deshalb an der Kirche, die immer größer wurde. Bis heute ist der Ort ein beliebtes Pilgerziel. Am beeindruckendsten zeigt sich die Aussicht von einem der Türme, in den wir über unzählige schmale Stufen hinaufsteigen.
Von Montligeon radeln wir auf einer wenig befahrenen Straße weiter nach Courgeon. Die Sonne steht schon schräg. Ein letzter Halt noch bei der Ferme des Mares, der Cidrerie der Familie Ferré, wo mich Gregor in die Geheimnisse des Cidre einweiht. Und natürlich probieren lässt. Die Äpfel (und Birnen) wachsen im Garten gleich hinter dem Haus direkt an der Véloscénie: alte Birnbäume, zum Teil älter als hundert Jahre und junge Apfelbäume in Spalieren.
Erfrischt vom Cidre, ist das letzte Stück zurück nach Mortagne-au-Perche fix geradelt. Mit nur 27 Kilometern eigentlich eine kleine Runde, doch mit Abstechern zu Produzenten und ausgiebiger Mittagspause kann man für die beschriebene Tour gut einen ganzen Tag einplanen.
Infos & Adressen
La Véloscénie: 450 km von Paris bis Mont Michel, 10 Tagesetappen
Die Tour ist überwiegend flach, mehr als ein Drittel verläuft auf den Voie Vertes, den grünen Wegen entlang stillgelegter Gleise.
Radverleih: Ludo Vélo aus Tourouvre bringt die Räder z.B. ins Hotel, Tel: 0250479490, @Atelierludovelo (Facebook, keine Website). Im Umkreis von maximal fünf Kilometern von der Strecke gibt es Fahrradverleiher und -reparaturwerkstätten, die auch mit Routentipps, Waschservice oder Picknickkörben weiterhelfen. Die Tourismusbüros halten Fahrradreparatur-Sets zur schnellen Selbsthilfe parat.
Weitere Infos:
Mortagne au Perche Tourist Office, 36 Place du Général de Gaulle, Mortagne au Perche, www.ot-mortagneauperche.fr
Etappen und Sehenswürdigkeiten, Übernachtungs- und Einkehrtipps: www.veloscenic.com
Hinweis: Die Perche ist in diesem Buch leider nicht so richtig vertreten, doch für alle anderen Touren in der Normandie kann ich es empfehlen.
Meine Reisen werden zum Teil unterstützt durch Tourismusverbände, Veranstalter und Hotels. Auf Art, Inhalt und Umfang meiner Artikel hat dies keinen Einfluss, meine Meinung bleibt wie immer die eigene. Dieser Artikel entstand im Rahmen der Tourismus-Kampagne “Meine Normandie” in Zusammenarbeit mit Atout France.