A Schnapserl geht immer. Das ist Tradition. Und deshalb sind wir ja schließlich hier, auf der Tiroler Schnapsroute. Außerdem klingt es verlockend, sich auf diese Weise einer Kultur zu nähern. Über alte und seltene Obstsorten, edle Brände und die Kunst der Destillation. Am Ende werden es dann doch ein paar Gläschen mehr. Was aber nicht schlimm ist, denn verkosten heißt ja nicht trinken. Der Auftakt für dieses Genusswochenende in Hall-Wattens könnte jedenfalls kaum besser sein.
Die Tiroler Schnapsroute ist ein Zusammenschluss kleiner Destillerien, die einen Einblick ermöglichen in die alte Handwerkskunst. Die meisten von ihnen kann man individuell besuchen (am besten vorher anmelden) oder bei einer geführten Tour mit anschließender Verkostung kennenlernen. Verteilt auf ganz Tirol sind vierzig Betriebe mit von der Partie, davon vier Brenner in der Region Hall-Wattens.
Inhaltsverzeichnis
Tiroler Schnapsroute
Einer von ihnen ist Der Bogner oberhalb von Absam. Hubert Strasser führt den Hof mit seiner Frau Verena in der zehnten Generation. In Spalieren stehen die Zwetschkenbäume hinter dem Hof, 7.000 sind es insgesamt. Strasser ist damit der größte Zwetschkenbauer in Tirol. Was er nicht an den Handel verkauft, landet im Maischebottich seiner Brennerei. Der Zwetschkenbrand duftet intensiv nach reifer Frucht, die auch im Geschmack sehr klar zum Ausdruck kommt. Neben Apfel, Birne und anderen Sorten wie Marille oder Nuss produziert er auch einen Erdbeerbrand. Das ist relativ aufwendig, da die Erdbeere nicht sonderlich ergiebig ist und weniger Fruchtzucker enthält als man vermuten würde angesichts der süßen Früchte. Vor allem aber liegt ihm der Erhalt alter Sorten am Herzen.
Etwas aus der Reihe tanzen Whisky und Tschin (Gin) vom Bognerhof. Seine Frau stammt aus Schottland, erzählt Hubert, da lag es irgendwie nahe, es auch mal mit Whisky zu probieren. Nach dem Brennen reift dieser dann lange im Holzfass, in dem zuvor der Zwetschkenbrand den finalen Schliff erhalten hat. Das Ergebnis: weich und fruchtig.
Bei den geführten Touren wird jeweils ein Brenner besucht, der in rund 90 Minuten seinen Betrieb und seine Brände vorstellt und allerhand Wissenswertes zur Schnapsherstellung erzählt. Bei Hubert Strasser kann man künftig einmal in der Woche auch live dabei sein: beim Whisky destillieren.
Bezaubernde Altstadt von Hall in Tirol
Samstag ist Wandertag. Nach unserer Kräutertour mit Susi am Vormittag haben wir aus den gesammelten Schätzen ein leckeres Mittagessen gekocht. Nur die Erdbeeren für’s Dessert konnten wir nicht selbst pflücken, die stammen vom Bauernmarkt, der immer samstags am oberen Stadtplatz in Hall in Tirol stattfindet. Ein Bummel dort lohnt sich allein schon wegen der mittelalterlichen Altstadt, die nahezu komplett erhalten ist.
Und einen in eine andere Zeit beamt: Kopfsteinpflaster, Laternen, Gewölbe und enge Gassen mit hübschen, kleinen Läden zum Stöbern und netten Lokalen. Der Wind verteilt den Duft von Millionen Lindenblüten gegenüber vom Café Morgenbrot.
Seit vielen Jahren hält die Stadt konsequent an ihrem Konzept fest, um das Flair des alten Stadtkerns zu bewahren. Nur inhabergeführte Geschäfte mit einem individuellen Angebot dürfen sich einmieten, große Handelsketten und Systemgastronomen müssen außerhalb bleiben. Eine so weitsichtige wie sympathische Sache.
Die Sonne steht bereits tief, weiches Licht streift die Gassen. Deren Namen erzählen vom Leben früherer Zeiten. In der Agramsgasse boten die Bauern ihre Produkte vom Feld an, in der Fassergasse arbeiteten die Fassbinder, die Fässer für das Salz herstellten. Die Münzergasse beherbergte die Münzstätte und in der Salvatorgasse (heute: Marktgasse) hielt man Markt ab.
Dort befindet sich auch Petras Kochstudio, wo man einen Crash-Kurs in Tiroler Küche absolvieren und sich beispielsweise beim Formen von Knödel und Co. versuchen kann. Backfans kommen in der Villa Kuchenbunt auf ihre Kosten und Schönes aus Zirbenholz gibt’s im Geschäft Lebensart.
Reich wurde die Stadt übrigens durch das Salz, das hier seit dem 13. Jahrhundert abgebaut wurde und später durch die Münze. Heute ist Hall in Tirol für uns vor allem ein schöner (Ausgangs-)Ort, um die Region zu erkunden.
Swarovski Kristallwelten
Zum Beispiel Wattens. Ein Dorf, das hauptsächlich durch ein Unternehmen bekannt wurde: Swarovski. Dessen Kristallwelten locken mehr als 800.000 Besucher im Jahr in die kleine Tiroler Gemeinde, nur Schloss Schönbrunn ist stärker frequentiert in Österreich. Anfangen hat alles mit kleinen Glassteinchen.
Dieser Sonntagmorgen ist ein eher ruhigerer, angesichts der Dimension des Parkplatzes der Kristallwelten. Nur ein paar Dutzend Leute. Über uns hängen dunkelgraue Wolken mit dicken Tropfen unten dran, doch sie fallen nicht runter. Sie spiegeln sich im schwarzen See. Ein leichter Wind streicht über das Wasser und das helle Gebimmel von Schafglöckchen liefert den passenden Soundtrack.
Dann reißt der echte Himmel für einen Moment auf. Sobald die Sonne zum Vorschein kommt, beginnen die „Tropfen“ zu glitzern. 800.000fach! So viele Kristalle haben die Künstler Andy Cao und Xavier Perrot in der „Wolke“ installiert. Wow, das hat was. Hätte ich gern auf dem Foto eingefangen, habe es aber nicht so ganz hinbekommen.
Der Freizeitpark der Kristallwelten inklusive Alpengarten eröffnete 2015. Im Sommer gibt es Open-Air-Kino, Yoga-Workshops oder Lying Dinner. Wobei letztere sicher gesitteter ablaufen als die Fressgelage der Antike, die das Kopfkino gerade startet.
Ansonsten besteht die Ausstellung aus 16 Wunderkammern mit einer Sammlung von Installationen und Werken internationaler Künstler, darunter Salvador Dalí. Ausgedacht hat sich die Geschichte rund um den Riesen und seine Kammern der Multimediakünstler André Heller 1995 zum hundertjährigen Firmenjubiläum. Von Zeit zu Zeit wechseln die Themen – was bleibt ist der Bezug zum Kristall. Meine Lieblingskammer ist der Kristalldom, in dem Opernsängerin Jessye Norman die Schlussarie „Thy hand, Belinda“ aus der Oper „Dido und Aeneas“ von Henri Purcellaus singt.
Glanzvoll setzt Swarovski natürlich auch die eigene Firmengeschichte in Szene. Der Rundgang endet obligatorisch im Shop, in dem manche Besucher (vorzugsweise aus Asien) gern mal den Wert eines Kleinwagens lassen. Neu war mir, dass Swarovski nicht nur Schmuck und Kunstwerke aus Kristall fertigt, sondern auch optische Geräte und Werkzeuge.
Zum Abschluss gönnen wir uns noch eine Portion Schlitzkrapfen [sic!] mit Käse in Daniels Café & Restaurant mit schönstem Blick auf die Kristallwolke. Nur die Sonne hat sich leider schon wieder verabschiedet.
Infos & Adressen
Hinkommen:
Bequem mit der DB/ÖBB über München und Kufstein oder mit dem Auto über die A8 (D) und A12 (A) bis Hall in Tirol.
Essen & Trinken:
Landgasthof Purner: regionale Küche mit Zutaten der Saison. Tipp: Thaurer Bauernsalat.
Goldener Adler: riesige Portionen, schöne geschützte Terrasse im ersten Stock. Tipp: Tiroler Schnitzel, Hähnchen gefüllt mit Graukäse und Speck, dazu Grüner Veltliner.
Daniels Café & Restaurant in den Kristallwelten: leckere Kuchen, aber auch feine Tiroler Küche. Tipp: Schlitzkrapfen [sic!].
Schlafen:
Gartenhotel Maria Theresia, Reimmichlstraße 25, 6060 Hall in Tirol, www.gartenhotel.at
Gasthof Goldener Anker, Innsbrucker Str. 1, 6112 Wattens, www.goldener-adler-wattens.at
Machen:
Leichte Kräuterwanderung* oder ausdauernde Bergtour (z.B. zur Bettelwurfhütte) im Naturpark Karwendel
Yoga*
(Themen-)Stadtführung (z.B. mit dem Henker von Hall)*
Besuch beim Obstbrenner: Der Bogner (Absam), Brauerei & Brennerei Ebner (Absam), Glaserhof (Gnadenwald) oder Brennerei Weindlerhof (Volders); Termine und Anmeldung für die geführten wöchentlichen Touren gibt’s unter Tiroler Schnapsroute
Swarowski Kristallwelten, Kristallwelten 1, Wattens, www.swarovski.com/kristallwelten
*Anmeldung beim Tourismusverband per Mail office@hall-wattens.at oder telefonisch unter Tel. +43 5223 455440.
Hinweis:
Meine Reise wurde unterstützt von der Region Hall-Wattens.
11 Kommentare
oh wow – das sieht ja super aus! Und die Schnapsroute…sehr gefährlich…
Danke für den schönen Bericht – herzliche Grüsse aus der Region Hall-Wattens!
Danke und schöne Grüße zurück in die Berge.
Schöner Bericht! Wir waren diesen Sommer auch in Hall-Wattens. Die Kristallwelten haben uns dabei natürlich auch angeschaut. Zudem haben wir den neuen Piepmatzweg gemacht und waren über den Klettersteig auf dem Glungezer… (Link entfernt)
Schlutzkrapfen.
Ja, das dachte ich auch. Aber dort haben sie darauf bestanden, Schlitzkrapfen zu servieren. Wie auch immer, lecker waren sie 🙂
Schön gemachte Homepage mit ausgesuchten Bildern. Die Schlitzkrapfen sind besser Schlitzkrapfen…
Scheint so, als ob wir Swarowski noch einmal besuchen müssen. Wir waren kurz vor dem Umbau 2014 dort. Die Kristallwolke klingt sehr interessant. Und was soll’s: die Schnapsroute können wir dann auch gleich mitmachen 😀
Am besten im Sommer, der Garten ist wirklich schön. Und hoffentlich habt ihr Glück, dass die Sonne rauskommt, dann funkelt die Wolke. Wir haben es ganz kurz nur erlebt, aber immerhin. Und im Café Daniels gibt es die leckersten Kuchen.
Schöner Beitrag! Vor allem die Kristallwelten würden uns auch mal interessieren. Aber: „Tiroler Schnapsroute“ klingt fast wie eine Drohung 😀
Nun ja, aber eine leckere „Drohung“. Aber stimmt schon, kann gefährlich werden. Die Kristallwelten sind schön, aber geht am besten hin, wenn nicht zu viel Andrang zu erwarten ist (Sonntagmorgen zum Beispiel).