Der Nebel kommt aus dem Nichts an diesem strahlend schönen Sommertag. Ich sitze an der Garonne, gegenüber dem Palais de la Bourse, und sehe die Passanten nur noch durch einen Schleier aus Millionen Wassertropfen. Kinder hüpfen in der der Nebelwolke, die sich erfrischend auf die Haut legt. Wenig später ist alles wieder klar, die Fassade des Börsenpalastes spiegelt sich im Wasser – ein herrliches Fotomotiv.
Möglich macht das der Miroir d’eau, eine knapp 3.500 Quadratmeter große Granitplatte, die zwei Zentimeter hoch überspült wird und damit die Illusion erzeugt, das Wahrzeichen von Bordeaux stünde mitten im Wasser.
Prächtige Häuser gibt es reichlich in Bordeaux, die Altstadt aus dem 18. Jahrhundert ist beinahe komplett erhalten und wurde als Port de la Lune (Mondhafen) zum Unesco-Weltkulturerbe ernannt.
Verändert hat sich Bordeaux trotzdem, sagt die Stadtführerin. Nicht nur an der Tram, die jetzt ohne Kabel durchs Zentrum fährt, könne man das sehen. Auch das Lebensgefühl sei ein anderes als noch vor zehn Jahren, lockerer, offener. Mal charmant klassisch, in einigen Vierteln eher multikulti, alternativ und hip. Von der etwas biederen Wein- und Handelsmetropole zum place to be – spätestens seit der Lonely-Planet-Reiseführer 2017 Bordeaux zum ultimativen Städtereiseziel ausgerufen hat, gilt das ganz offiziell.
Inhaltsverzeichnis
Bordeaux ist klassisch und hip, multikulti und alternativ
Die neue Nonchalance steht der Stadt sehr gut. Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Besuch 2007, während der internationalen Weinmesse Vinexpo. An diesen Hauch von Dünkel, der damals in der Luft lag: Aus Bordeaux kommen die großen Weine, man ist wer in der Welt.
Die großen Weine gibt es immer noch. Aber das ganze Bohei drum herum braucht es nicht mehr. Wein ist heute nicht mehr elitär, sondern das, was er sein soll: Genuss.
Um so mehr habe ich mich deshalb gefreut, als ich von der Region Nouvelle-Aquitaine eingeladen wurde, die genussvollen Seiten der Region zwischen Biarritz und Bordeaux (neu) zu entdecken – inklusive dem größten Weinfestival der Welt, das vier Tage lang ab Mittag an die Garonne lockt.
Den Vormittag nutze ich für einen Marktbummel. Einer der besten Märkte von Bordeaux soll der Marche de Capucins im Stadtteil Saint Michel sein, so der Tipp von Einheimischen, die selbst gern dort einkaufen. Von meinem Hotel ist das ein schöner 20-minütiger Spaziergang durch Bordeaux, ein Stück auf der schnurgeraden Einkaufsmeile in der Rue St. Catherine.
Der Marche de Capucins ist ein Fest für sich, ein Schlaraffenland (aber gilt das nicht für viele Märkte in Frankreich?)! Obst, Gemüse, Kräuter, Blumen, Fisch, Fleisch, Käse gibts hier wie anderswo auch. Allein die Auswahl ist fantastisch.
Savoir vivre in Bordeaux: Austern und Tapas direkt auf dem Markt genießen
Das, was diesen Markt besonders macht, sind die kleinen Restaurants zwischen den Ständen. Hier ein paar Tapas aussuchen und mit einem Glas Wein genießen, nebenan ein paar Austern schlürfen – frischer gehts nicht. Wie schade, dass es so früh am Tag ist und ich leider noch satt bin von der Foie Gras gestern Abend. Aber ein café und ein Croissant, das geht immer. Ich mag das Treiben und noch mehr die Art, wie die Franzosen ihre Lebensmittel aussuchen. Dieses Bewusstsein für den Wert von gutem Essen.
Vom Markt laufe ich wieder in Richtung Fluss durch das Viertel. Vorbei an Fassaden mit kunstvoll verzierten Balkonen und bodentiefen Fenstern. In Saint Michel leben viele Afrikaner. Frauen mit bunten Kleidern und Turbanen erledigen auf dem Wochenmarkt ihre Einkäufe – von Stoffen, Garn bis hin zu Haushaltssachen und Taschen ist alles zu haben. Berge frischer Minze duften in der Sonne, die Gassen rund um die Kirche gleichen einem Wimmelbild.
Bordeaux Fête le Vin – das größte Weinfestival der Welt
Bordeaux ist die letzte Station meiner fünftägigen Reise durch die Nouvelle-Aquitaine. An diesem sonnigen Juniwochenende findet vor der Kulisse der herrlichen Altstadt die Fête le Vin statt, eines der schönsten Weinfeste, das ich kenne. Zum 20. Jubiläum kommen erstmals auch die großen Segelschiffe der Welt nach Bordeaux. Stattliche Drei- und Viermaster wie die Étoile Molene, die jedem Piratenfilm Ehre machen würden. Einige der Schiffe empfangen Besucher und bieten kleinere Rundfahren an. Die Garonne fließt mitten durch die Stadt; wer mit dem Boot kommt, kann also direkt im Zentrum anlegen. Ein weiterer Punkt, der Bordeaux so attraktiv macht.
Alle zwei Jahre findet die Bordeaux Fête le Vin statt, im Wechsel mit dem Flussfestival. An den Quais reihen sich zwei Kilometer lang Stände der einzelnen Appellationen der Region. Dazwischen Foodtrucks und Zelte, an denen die kulinarischen Genüsse der Nouvelle Aquitaine locken.
Wie gut, dass ich heute nichts anderes mehr vorhabe habe, so verlockend ist das alles hier: Austern, Käse, Schinken, Foie Gras und natürlich Wein ohne Ende. Bekannte Châteaux wie Baron Philippe de Rotschild oder Baron de Lestac sind ebenso vertreten wie (mir) unbekannte Weingüter. Auf Wunsch beraten die Winzer an ihren Ständen ausführlich und geduldig – trotz langer Schlangen, das habe ich auf einem Weinfest noch nie erlebt.
Ausgestattet mit einem Weinglas samt praktischer Umhängetasche sowie einen Pass Dégustation (im Ticketpreis inklusive) starte ich meine Genusstour. Ein Crèmant zum Auftakt, dazu ein paar Austern von der Île de Ré – hach, la vie est belle!
Savoir Vivre an der Garonne und eine Reise zum Wein: Cité du Vin
Auf dem Festgelände kann man nicht nur feiern, sondern auch viel über Wein lernen. Die Ecole du Vin veranstaltet mehrmals am Tag Workshops zu verschiedenen Themen. Die Teilnahme ist kostenlos nach dem Prinzip ‚first come, first serve‘. Tipp: rechtzeitig da sein, die Plätze sind sehr begehrt.
Sehr empfehlen kann ich übrigens auch einen Besuch in deren Weinbar am Cours du 30 Juillet: Tolle Weinauswahl, erstklassige Beratung und kleine Snacks aus der Region.
Eines der Highlights von Bordeaux ist die Cité du Vin im Stadtteil Bassins à Flots, die 2016 eröffnet wurde. Vom Weinfestival aus komme ich zu Fuß in rund 20 Minuten hin, am Fluss entlang, ein schöner Spaziergang und ganz praktisch, um mal eine Pause einzulegen zwischen den Verkostungen.
Das Gebäude aus Metall und Glas glänzt in der Sonne und prägt die Skyline der Stadt. Schon von Weitem sehe ich den 55 Meter hohen Turm, der mich an die Form einer Dekantierkaraffe erinnert. Komplett daneben, das Holzgewölbe soll den Rumpf eines Schiffes auf der Garonne darstellen, erfahre ich später. Dank des Flusses konnte sich Bordeaux überhaupt erst zum Weinmekka entwickeln.
Neugierig erkunde ich den zweiten Stock, in dem die Dauerausstellung untergebracht ist. Mir gefällt die interaktive und spielerische Art, mit der hier Wissen vermittelt wird. Sehen, hören, fühlen – die Cité du Vin ist ein Fest für die Sinne. Nach der Theorie bekomme ich schnell wieder Lust auf einen Probeschluck. Den gibts im 8. Stock im Belvedere – mit einer 360-Grad-Aussicht über die Stadt.
Eine Etage drunter liegt das Restaurant, aber auch im Erdgeschoss kann man sich stärken. Oder auf der gegenüberliegenden Straßenseite in Les Halles de Bacalan, einer Mischung aus Markthalle und Gastronomie, zum Teil kann man auch draußen sitzen. An den Ständen gibt es die typischen Produkte der Region – von Käse aus der Dordogne bis zur Foie Gras de Canard aus der Gascogne. Das Hafenareal von Bordeaux hat sich in den letzten Jahren in ein Szeneviertel verwandelt, ein spannender Mix aus Alt und Neu.
Zurück ins Zentrum nehme ich die Tramlinie B. Fahre aber nur eine Station und steige in Chartrons wieder aus, um entlang der Garonne zu bummeln. Im historischen Quartier der Reeder und Weinhändler treffen sich die Bordelaiser zum Schlemmen auf dem Sonntagsmarkt. Hier soll bis 2025 ein neues Stadtviertel entstehen, ein urbaner Mix von Wohnen, Arbeiten und Ausgehen. In der ehemaligen U-Bootbasis finden bereits heute Konzerte und Ausstellungen statt, das Musée Mer Marine eröffnet 2018.
Die Sonne steht jetzt schon tief. So langsam füllt sich das Weinfest. Die Schlangen an den Ständen werden länger, die Stimmung könnte kaum besser sein – entspannt und fröhlich.
Und weil die Fête le Vin mehr ist als ein gewöhnliches Weinfest, endet die Weinparty entsprechend gigantisch: mit einem Feuerwerk. An jedem Abend aufs Neue, Punkt 23.30 Uhr ist es soweit. Der Drache kommt übers Wasser, spuckt Feuer. Minutenlang kreist sein Boot samt Begleiter auf der Garonne Richtung Pont de Pierre, untermalt von Trommelschlägen, die Großes ankündigen.
Kurz vor Mitternacht dann das Finale: Feuerfontänen in Silber, Lila, Rot und Grün färben den Himmel über Bordeaux; Sternenregen und Goldflitter glitzern im Dunkel. Ganze 25 Minuten dauert das Spektakel. Dann ist Schluss für heute.
Morgen ab elf sieht man sich wieder, an den Quais. Auf ein Glas oder zwei.
Die Franzosen nennen es savoir vivre, die Art zu leben. Ein Stück davon nehme ich mit nach Hause, und wenn es nur in Form von Wein, Käse und Baguette ist.
Au revoir, Bordeaux!
Weitere Informationen
Hin- und weg:
Direktflüge nach Bordeaux gibt es von verschiedenen deutschen Städten, ab Stuttgart bisher nur mit Umsteigen in Paris CDG. Vom Flughafen BDX-Mérignac sind es rund 30 Minuten bis in die Stadt.
Von Stuttgart gibt es eine Direktverbindung mit dem Zug nach Paris (ca. 3,5 Stunden) und von dort ebenfalls direkt weiter nach Bordeaux in 2 Stunden. Vom Bahnhof kommt am besten mit der Straßenbahnlinie C in die Stadt.
Übernachten:
Die Auswahl an Unterkünften ist groß, so dass man für jedes Budget etwas Passendes findet. Ich habe im Hotel Majestic gewohnt. Das liegt sehr zentral, bis zur Esplanade (zentrale Tramhaltestelle) ist es nur eine Minute und bis zur Garonne nur 5 Minuten zu Fuß.
Essen & Trinken:
L’École du Vin: 3 Cours du 30 Juillet, Bordeaux, www.bordeaux.com/wschool/de/weinschule
Marché de Capucins: Place des Capucins, Saint Michel, www.marchedescapucins.com
Les Halles de Bacalan: 10 Esplanade de Pontac, Bordeaux
Cité du Vin: Esplanade de Pontac, 134 Quai de Bacalan, Bordeaux, E-Tickets sind unter www.laciteduvin.com erhältlich. Im Besucherzentrum kann man verschiedene Weintouren buchen in die Umgebung. Infos unter www.bordeauxwinetrip.com.
Fête le Vin: Das Weinfest findet alle zwei Jahre Ende Juni statt. Tickets und weitere Informationen gibts unter www.bordeaux-wein-festival.com
Bordeaux City Pass:
Mit dem Bordeaux City Pass (ab 29 €) kann man 24, 48 oder 72 Stunden lang alle öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos nutzen sowie viele Museen besuchen, einschließlich der Cité du Vin (vor 12 Uhr, später kostet es 5,-). Inklusive im City Pass sind außerdem eine Stadtrundfahrt oder geführte Rundgänge. Nähere Infos zu den Leistungen unter www.bordeaux-tourismus.de und www.nouvelle-aquitaine-tourisme.com.
Das ist ein redaktioneller Beitrag, der unter Umständen dennoch eine werbliche Wirkung entfalten könnte. Die Reise erfolgte mit freundlicher Unterstützung von Tourisme Aquitaine und Atout France. Bei meinen Recherchen arbeite ich zum Teil mit Tourismusverbänden, Veranstaltern und Hotels zusammen. Auf Art, Inhalt und Umfang meiner Artikel hat dies keinen Einfluss, meine Meinung bleibt wie immer die eigene.
1 Kommentar
Danke für den schönen Artikel. Wir sind auch jedes Jahr in Frankreich unterwegs und lieben es das Leben dort zu genießen. Bordeaux steht noch auf der Liste. Danke für die Tipps. Das Weinfest werden wir uns einmal anschauen. Hoffentlich ist es bald wieder möglich. Liebe Grüße Viola