Der Wienerwald: von Wien aus nur ein Katzensprung und voller Geschmackserlebnisse. Wir schlemmen uns durch die gemütlichen Heurigen in und um Gumpoldskirchen, staunen, wie die Aromen des Waldes schmecken und genießen in der Kaiser- und Kurstadt Baden einen köstlichen Kaiserschmarrn.
Das Stimmengewirr mischt sich mit dem leisen Klirren der Gläser, während wir im Garten des Heurigen Hannes Hofer unter dem alten Walnussbaum zusammensitzen. Tische und Stühle stehen auf gepflegtem Rasen, dahinter an den Weingärten von Gumpoldskirchen – ein Gefühl von Geborgenheit und Zeitlosigkeit stellt sich ein.
Hier, wo sich Einheimische und Ausflügler begegnen, wird der Wienerwald ganz unmittelbar spürbar: als Ort, an dem Genuss, Geselligkeit und jahrhundertealte Tradition ineinandergreifen. Wer in diesen lauen Abendstunden zwischen Weinreben und Holzstühlen Platz nimmt, versteht schnell, warum der Wienerwald viel mehr ist als nur die grüne Lunge von Wien – eine lebendige Kulturlandschaft, die ihre Gäste mit offenen Armen empfängt.
Gumpoldskirchen: Wo die Heurigenkultur geboren wurde
„Das ist unsere Prinzessin“, sagt Johanna Gebeshuber stolz und schenkt mir ein Glas Zierfandler ein. Die junge Winzerin führt den Heurigen Spätrot in vierter Generation – eines der ältesten Gebäude in Gumpoldskirchen. Ihre Großeltern sperrten vor 60 Jahren die Tür auf und steckten erstmals aus, doch die Urgroßeltern bewirtschafteten das Land bereits zuvor.
Der Spätrot – ein anderer Name für die Zierfandler-Rebe – wächst nirgendwo sonst auf der Welt. Nur hier, in der Thermenregion, gedeiht diese autochthone Rebsorte gemeinsam mit dem Rotgipfler auf knapp 100 Hektar weltweit. „Qualität wächst draußen“, erklärt Johanna, während wir die 60 Jahre alten Reben im Glas verkosten. „Braucht Wärme und Sonnenstunden, wurzelt tief.“
2011 stellte die Familie auf Bio um. „Wir glauben an das Alte“, sagt die Winzerin. Dass Unkraut heute wieder Beikraut heißt, passt perfekt zu dieser Philosophie der Rückbesinnung. Ihr Heuriger ist modern interpretiert – mit angeschlossener Greisslerei und erweiterten Speisen, aber die Tradition bleibt: Früher wurde nur eigener Wein ausgeschenkt, dann brachten die Gäste ihr Essen mit, heute geht man zur Theke und holt sich alles einzeln.
Während die Kellergassen vor allem das Weinviertel prägen, gilt Gumpoldskirchen als Wiege der Heurigenkultur. Das Besondere am Heurigen ist seine einzigartige österreichische Tradition: Winzer dürfen dank eines jahrhundertealten Rechts von Kaiser Joseph II. ihren selbst produzierten Wein direkt ab Hof ausschenken – erkennbar am „Ausg’steckt is“-Schild. Diese authentische Mischung aus familiärer Weinwirtschaft, traditioneller Brettljause und ungezwungener Wiener Gemütlichkeit wurde 2019 sogar als immaterielles UNESCO-Kulturerbe anerkannt – Heurige sind gelebte Kultur und sozialer Treffpunkt in einem.
Das typische Winzerdorf zieht sich entlang einer Hauptstraße, und hinter fast jeder unscheinbaren Fassade versteckt sich ein uriger Heuriger. So auch bei Hannes Hofer, wo der wunderschöne Garten mit dem alten Walnussbaum direkt an den Weinberg grenzt. Zwischen den Reben entstehen abends kleine Genussinseln mit Lichterketten – Orte, an denen die Zeit stillzustehen scheint.
Winzerinnen, Weingärten und die Renaissance des Gemischten Satzes
Völlig anders überrascht das Weingut Pferschy-Seber in Mödling. Mitten an der Hauptverkehrsstraße stoppt unser Auto, und hinter einer unscheinbaren Hoftür eröffnet sich ein idyllischer Garten mit alten Birken, Linden und einem prächtigen Oleander. Seit 1718 ist das Weingut in Familienbesitz – und das Besondere: Seit fünf Generationen führen ausschließlich Frauen den Betrieb.
Birgit Pferschy-Seber, deren Tochter bereits im Weingut mitarbeitet, führt uns durch die terrassierten Weinberge. Der Blick von den Terrassen schweift über Gumpoldskirchen und Baden bis zu den Wiener Alpen mit der markanten Rax.
Wir helfen beim Einstecken der neuen Triebe zwischen die Drähte – wichtig, damit sie bei Sturm nicht abbrechen. Der gemischte Satz aus 15 verschiedenen Sorten war früher eine Versicherung gegen Wetterkapriolen, erklärt Birgit. Diese Wiener Tradition erlebt gerade eine Renaissance.
Wie schmeckt eigentlich ein Baum?
Wie schmeckt eigentlich ein Baum? Artur Ciser-Erlach stellt diese Frage nicht zum ersten Mal. Der Waldökologe, Tischler und Autor des Buches „Der Geschmack von Holz“ hat seine Leidenschaften kombiniert und bietet seit 2021 zwölf Mal im Jahr WienerWaldGenuss-Touren an.
Mit einem Rucksack voller Überraschungen führt er uns zweieinhalb Stunden durch den 105.000 Hektar großen Biosphärenpark Wienerwald. An der ersten Station zeigt er, wie aus klein gehackten Fichtenzweigen und Meersalz ein aromatisches Gewürz entsteht, das überraschend nach Zitrone schmeckt – perfekt zum Einreiben von Grillgut.
An der Birke wird es spannend: Aus dem Birkenwasser, das im Frühjahr aus angeschnittenen Ästen tropft, zaubert Arthur mit einem Sahnespender ein erfrischendes Birken-Tonic. Bei der Haselnuss erfahren wir, dass aus der Rinde Mehl gemacht wird, das wie geröstete Haselnüsse schmeckt, und dass die Blätter für Dolmades verwendet werden können.
Das Finale unserer Wald-Safari: Über Buchenspänen räuchern wir Schafskäse mit einem Mini-Elektrogerät namens „Smoke Pot“. Das Ergebnis ist verblüffend lecker und macht bewusst, wie viele unserer alltäglichen Lebensmittel direkt oder indirekt vom Wald geprägt sind – von der Zimtrinde bis zu den Eichenfässern für den Weinausbau.
Heurigen-Safari: Mit dem Oldtimerbus zu den besten Heurigen der Region
Ein Highlight ist die Fahrt im knallroten Panorama-Oldtimerbus. Der 70 Jahre alte, oben offene Bus wäre heute gar nicht mehr genehmigungsfähig, aber gerade das macht den Charme aus. Statt in Fahrtrichtung sitzen wir uns gegenüber, der Fahrtwind sorgt für Abkühlung und die Weinberge ziehen gemächlich vorbei.
Das Konzept der Panorama-Tour ist genial: Ein Vier-Gänge-Menü in vier verschiedenen Heurigen zwischen Baden und Bad Vöslau. Wir starten an diesem herrlichen Frühsommertag in Baden bei Wien und genießen Spargel, regionale Schmankerln bei Weingut Herzog, Lachsforelle auf Risotto, Maibock sowie ein köstliches Dessert – jeweils begleitet von zwei regionalen Weinen und den persönlichen Geschichten der Winzer.
Die Heurigen-Safari ist Teil des Thermenregion-Weinfestivals, das ein sehr vielseitiges Programm bereithält – vom prickelnden Sekt-Frühstück im Freigut Thallern über entspannte Afterwork-Winetastings bis hin zur eleganten „Sparkling Night“ im Starkl LOFT.
Den krönenden Abschluss bildet das große Open-Air-Event „Wein im Park“ im Kurpark Baden mit über 200 Weinen. Im Mittelpunkt stehen regionale Spezialitäten wie Zierfandler, Rotgipfler, St. Laurent und Pinot Noir, ergänzt durch internationale Schaumweine.
Baden bei Wien: Kaiserliche Sommerfrische und ein echter Schmarrn
Keine Genussreise durch den Wienerwald ohne einen Besuch in Baden bei Wien, der eleganten Kurstadt, die seit 2021 UNESCO-Weltkulturerbe ist. Von 1813 bis 1835 war das Palais am Hauptplatz 17 die kaiserliche Sommerresidenz von Franz Josefs Großvater. Die Menschen reisten dem Kaiser nach – „das Beste, was der Stadt passieren konnte“, wie unsere Stadtführerin erzählt.
Hier, wo Mozart durch das Lumpentürl schlüpfte – ein kleines Törchen in der Stadtmauer für Nachtschwärmer, die nach dem Heurigenbesuch noch in die Stadt wollten –, pulsiert auch heute das kulturelle Leben. Beethoven komponierte in Baden große Teile seiner 9. Sinfonie, deren vierter Teil „Ode an die Freude“ heute die Europahymne ist. Ein Besuch im Beethovenhaus lohnt sich nicht nur für Freunde der klassischen Musik.
Baden überrascht auch mit seinen Naturschätzen: 14 Schwefelquellen mit 36 Grad, ein Rosengarten mit fast so vielen Rosen wie Einwohnern, und 60 Kilometer markierte Wanderwege, die direkt in den Wienerwald führen.
Meisterpâtissier Herwig Gasser führt uns in dieselben Räumlichkeiten, wo einst die kaiserliche Hofbäckerei untergebracht war. Legenden ranken sich so einige darum. „Der Kaiserschmarrn wurde ursprünglich für die Kaiserin zubereitet“, erzählt er während seiner Live-Vorführung. „Aber der war ihr wohl zu mächtig. Da sagte der Kaiser: ‚Dann gebt’s halt her, den Schmarrn!'“
Wienerwald – persönliche Empfehlungen und alles Wichtige auf einen Blick
Ankommen im 600 Jahre alten Gemäuer
Mein Basislager für diese Genussexpedition ist das Landhaus Moserhof in Gumpoldskirchen, ein 600 Jahre altes Gut, das zu den „Selected Stays“ Niederösterreichs zählt. Schon beim Durchschreiten des Eingangstors beginnt die Entspannung: Ein langer Weg führt zu beiden Seiten an liebevoll renovierten Gästehäusern vorbei zur Rezeption, die gleichzeitig als Frühstücksraum und Treffpunkt dient.
Der Garten mit Pool ist ein Traum – geschmackvoll dekoriert mit frischen Blumen und Kerzen, elegante Lounge-Möbel und weiß bezogene Liegen laden zum Verweilen ein. Hier lässt sich abends bei einem Gläschen aus der kostenlosen Minibar wunderbar der Tag Revue passieren, während die Weinberge des Anningers im Abendlicht leuchten.
Hinkommen: Ab Stuttgart mit der Westbahn direkt oder mit der DB über München in ca. 6 Stunden. Weiter von Wien Hauptbahnhof mit der S3 ca. 35 min bis Gumpoldskirchen.
Übernachten:
Hotel Landhaus Moserhof, Wiener Straße 53, Gumpoldskirchen, www.landhaus-moserhof.eu Hotel anschauen
At the Park Hotel, Kaiser-Franz-Ring 5, Baden, www.atthepark.at, Hotel anschauen
Essen und Trinken:
- Heuriger Spätrot, Wiener Str. 1, Gumpoldskirchen, www.heuriger-spaetrot.com
- Heuriger Hannes Hofer, Neustiftgasse 4, Gumpoldskirchen, www.weingut-hofer.at
- Höldrichsmühle, Gaadner Str. 34, Hinterbrühl, www.hoeldrichsmuehle.at
- Amterl, Hauptplatz 2, Baden, www.amterl.at
- Herwig Gasser „Süßes vom Feinstern“, Kaiserhaus Hauptplatz 12, Baden, www.suessesvomfeinsten.eu
Erleben:
- WienerWaldGenuss: Information und Buchung unter www.wienerwald.info/wienerwaldgenuss
- Oldtimerbus-Heurigen-Tour: Information und Buchung unter www.wienerwald.info/oldtimer-genusstouren
- Thermenregion Weinfestival: Jedes Jahr im Juni stehen die wichtigsten Weinsorten der Thermenregion im Fokus: Zierfandler, Rotgipfler sowie St. Laurent und Pinot Noir. www.weinfestival.at
- Weitere Informationen auf dem offiziellen Tourismusportal: Wienerwald sowie Urlaub in Niederösterreich