Sardinien ist mehr als nur türkisblaues Wasser und Aperol an der Costa Smeralda. Wer sich vom Strand ins Landesinnere wagt, entdeckt eine Insel voller Überraschungen: 1.300 Meter hohe Berge, Dörfer mit uralten Traditionen, Kunst zwischen Granitfelsen, ein ganz besonderes Brot. Orte, an denen Menschen erstaunlich alt werden, woran die sardische Küche garantiert ihren Anteil hat. Eine Reise in fünf Etappen, die zeigt, wie vielfältig Sardinien sein kann.
Sardinien – da tauchen sofort Bilder auf im Kopf. Türkisblaues Wasser, blendend weiße Strände, vielleicht ein Glas Vermentino in der Hand, während man auf die glitzernde Costa Smeralda schaut. Das alles gibt’s – und es ist wunderschön. Das Sardinien abseits der Touristenpfade kann mehr. Im Landesinneren ragen Berge bis auf 1.360 Meter in den Himmel, uralte Traditionen leben seit Generationen weiter, Kunst und Kultur gedeihen zwischen Granitfelsen.
Und dann ist da noch das erstaunliche Phänomen der Blauen Zonen*: In der Mitte der Insel leben die Menschen so lange und gesund wie nur an sehr wenigen Orten auf der Welt. Höchste Zeit also, sich auf den Weg zu machen ins unbekannte Sardinien – eine Reise abseits der Strände in fünf Etappen. Jede für sich ein kleines Abenteuer.
Sardinien abseits der Costa Smeralda – 5 Etappen voller Kultur, Genuss & Geschichte
1. Olbia – das Tor zur Insel
Fliegen wäre schneller gewesen, aber wer Zeit mitbringt, fährt übers Meer. In unserem Fall: mit der Nachtfähre von Livorno nach Olbia, betrieben von Moby Lines. Seit 1959 verbindet die familiengeführte Reederei, mittlerweile in der fünften Generation, das italienische Festland mit Sardinien, Korsika und Elba. Besonders beliebt sind die Strecken von Genua und Livorno nach Olbia.
Die Kabinen der Moby Fantasy sind angenehm komfortabel, das Essen an Bord frisch zubereitet und gut – weit besser als ich das auf einer Fähre erwartet hatte. Am nächsten Morgen, als das Schiff im Hafen von Olbia anlegt, steht die Sonne noch tief und taucht alles in goldenes Licht. Schon wenige Schritte vom Hafen entfernt beginnt die kleine Altstadt.
Aber der eigentliche Urlaubsgenuss beginnt schon während der Fahrt: Abends, nach einem entspannten Dinner, kann man sich in die Kabine zurückziehen, das sanfte Schaukeln der Fähre ist wie eine Einladung zum Abschalten. Oder man verbringt die Zeit tagsüber draußen auf dem Deck, lässt sich den Wind um die Ohren wehen und schaut dem endlosen Blau des Meeres zu. Diese langsame Art der Reise, das Nichtstun auf dem Wasser, wird selbst zum Erlebnis – eine kleine Auszeit, bevor man das Ziel erreicht.
Olbia, einst kaum mehr als ein Fischerdorf – bis in die 1950er Jahre lebten hier nur 15 Familien – ist heute eine Stadt mit rund 70.000 Einwohnern. Wenn Kreuzfahrtschiffe anlegen, wird die Fußgängerzone zur Flaniermeile. Ein Gelato muss sein, natürlich. In Italien zählt man übrigens keine Kugeln, sondern Gusti – Sorten. Zwei, drei, manchmal auch vier übereinander geschichtet und schon fühlt sich alles nach Urlaub an.
Ein kurzer Spaziergang führt zur Basilika San Simplicio. Sie thront auf dem höchsten Punkt der Stadt, ein schlichtes, aber beeindruckendes Bauwerk aus dem 11. Jahrhundert, erbaut auf den Grundmauern einer noch älteren Kirche. Umgeben von Granitbergen bekommen wir einen ersten Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird: Sardinien zählt über 250 Kirchen – mehr als jede andere italienische Region.
2. Nuoro – Kunst und Kultur
Die Straßen schrauben sich hinauf, vorbei an Korkeichen und weidenden Schafen, bis sich Nuoro auf etwa 520 Meter über dem Meer erstreckt. Von dort geht es noch höher. Der Monte Ortobene überragt die Stadt fast um weitere 400 Meter. Und wer die Aussicht von der Erlöserstatue aus genießt, versteht, warum Nuoro als Herz der Barbagia gilt – der wilden, stolzen Mitte der Insel.
In Nuoro wurde auch Grazia Deledda geboren, erste und bisher einzige italienische Literatur-Nobelpreisträgerin. Ihr Geburtshaus ist heute ein Museum. Ein paar Straßen weiter das MAN, Museum für moderne Kunst. Gerade (im Frühling 2025) läuft eine Ausstellung über Giovanni Pintori, der einst mit seinen Designs für Olivetti internationale Bekanntheit erlangte.
Kultur hat in Nuoro viele Gesichter und Sardinien abseits der Strände so einige Geheimtipps. Im oberen Teil der Stadt liegt ein weiteres Museum mit Garten, das Spazio Ilisso, in dem auch Skulpturen des sardischen Bildhauers Francesco Ciusa zu sehen sind. Eines seiner Kunstwerke zeigt eine Frau beim Brotbacken – eine Geste voller Symbolik. Das traditionelle Brot auf Sardinien heißt Pane Carasau. Das knusprige, fast pergamentartige Fladenbrot, wurde einst für Hirten gebacken – haltbar bis zu drei Monate. In der Mitte gebläht wie ein Ballon, wird es in zwei Hälften geteilt, erneut gebacken – „carasare“ heißt das. Sauerteig, lievito madre, ist hier nicht Mode, sondern Überlieferung.
Mittags kehren wir in das urige Gartenlokal Casa Ruiu ein. Es gibt eingelegte Zunge, würzigen Käse, zartes Lamm und eine weitere, traditonelle Spezialität: Pane Frattau. Das Fladenbrot wird hierbei wie Lasagne geschichtet, mit Tomatensauce, Pecorino und Ei. Einfach, ehrlich – und unglaublich köstlich.
3. San Pantaleo – das Künstler-Bergdorf
Ein paar kurvige Straßen weiter, inmitten bizarrer Granitformationen, liegt das Bergdorf San Pantaleo. Früher wohnten Hirten in den bis zu 30 Meter lang gestreckten Häusern. Die Räume waren durch Vorhänge getrennt, Babys schliefen in offenen Kommodenschubladen.
Jetzt sind es Künstler, die das Dorf prägen. Zum Beispiel der Kunstschmied Davide Solinas, dessen Metallarbeiten viele Luxusvillen und Hotels an der Costa Smeralda zieren. Solinas bemalt seine Werke, haucht dem Metall Farbe und Leben ein. Das kleine Caffè Nina am Platz vor der Kirche serviert lokale Weine und sardische Spezialitäten – der perfekte Ort, um sich ein wenig treiben zu lassen.
4. Arzachena – Spuren einer uralten Kultur
Ein beeindruckendes Zeugnis der Geschichte Sardiniens entdecken wir in der Gegend um Arzachena: La Prisgiona. Nuraghen sind Sardiniens Wahrzeichen, gebaut aus aufgeschichteten Steinen, ohne Mörtel, ohne Zement. Manche dienten als Wachtürme, andere als Wohn- und Verteidigungsanlagen. Der Komplex, den wir besuchen, besteht aus drei Türmen, verbunden durch einen Hof. Einst lebten hier ganze Gemeinschaften, organisierten sich rund um den zentralen Platz – oft mit einer Versammlungshütte.
Ein Stück weiter, kaum einen Kilometer entfernt, ragen große Steinplatten in den Himmel: eines der sogenannten Gigantengräber, Tomaba die Giganti Coddu Vecchiu. Tote (vermutlich die des nahegelegenen Nuraghe La Prisgiona) wurden in Leinentücher gewickelt und in den schmalen Steinkorridor geschichtet. Vorn ein kleines Tor, eher symbolisch, als Tor ins Jenseits. Solche kollektiven Gräber nutzte man auf Sardinien vermutlich bis ins erste Jahrtausend.
5. Berchidda – Wein, Kork und Kulinarik
Nahe des Monte Acuto liegt Berchidda, die Stadt des Weines. Die Häuser in Sand- und Rosétönen wirken in der Nachmittagssonne fast wie ein Aquarell. Im Weinmuseum lernen wir, dass Vermentino di Gallura* mehr ist als nur ein Sommerwein. Er wächst hier auf Granitböden, was ihm Mineralität und Tiefe verleiht. Gemeinsam mit Cannonau – dem kräftigen Rotwein – macht er fast die Hälfte des sardischen Weinbaus aus.
Kleine, aufstrebende Weingüter wie Atlantis setzen auf Qualität und Kreativität. Neben den Klassikern gibt es mittlerweile auch einen Rosé – frisch, fruchtig, perfekt zum sardischen Fingerfood: Panadas mit Oktopus oder Fleisch, frittierte Ravioli di carne, und Panasole di verdure – gefüllte Gemüsetaschen. Mit Liebe und von Hand zubereitet von den Frauen im Dorf, wie wir uns bei einer Einladung zum Lunch im Garten des Agriturismo Domo de Resteblas überzeugen können.
Und dann sind da in Berchidda noch die Korkeichen. Nur alle zehn Jahre darf die Rinde geerntet werden, und nur, wenn es warm genug ist. Das Schälen ist Handarbeit, eine Kunst für sich. Der Kork wird längst nicht nur für Weinkorken genutzt – auch in der Motorradindustrie, für Textilien oder sogar Kanus findet er Verwendung.
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Sardinien – Empfehlungen und alles Wichtige auf einen Blick
Hinkommen:
Sardinien Fähre: Die Anreise mit Moby Lines von Livorno nach Olbia dauert zwischen acht und neun Stunden. An Bord gibt es bequeme Kabinen, ein umfangreiches gastronomisches Angebot, Wlan und Sky – sowie den Bonus, schon mit einem Sonnenaufgang auf See in den Urlaub zu starten.
Mit der Fähre nach Sardinien – Die MOBY Fantasy, mit der wir gefahren sind, ist das neueste und modernste Schiff der Moby-Flotte – eine der größten und zugleich umweltfreundlichsten Fähren weltweit. Die Fast Cruise Ferries von Moby Lines gehören zu den qualitativ besten: MOBY wurde bereits mehrmals mit dem Qualitätssiegel “Nr.1 in Gold – Servicesieger Italiens“ ausgezeichnet, erhielt den Green Star und wurde beim Italia Travel Awards von den Reisenden zur besten Fährgesellschaft Italiens gewählt.
An Bord erwarten die Passagiere 441 Kabinen für unterschiedliche Bedürfnisse, darunter auch Haustierkabinen. Ein Highlight ist das gastronomische Konzept mit dem eigens entwickelten Label „Gusti Giusti“, das auf italienische Qualität, Frische und Vielfalt setzt – so wird unter anderem die Pasta an Bord frisch gemacht. Neben dem Selbstbedienungsrestaurant stehen eine Sportbar mit Sky, eine Cafeteria, eine Pizzeria und ein À-la-carte-Grillrestaurant zur Wahl. www.mobylines.de
Übernachten:
- Hotel Felix in Olbia, Preise und Verfügbarkeit bei Booking.com prüfen
- Felix Hotels – Country Resort Parco degli Ulivi zwischen Olivenbäumen, nur einen Steinwurf von der Küste entfernt. Preise und Verfügbarkeit bei Booking.com prüfen. Wer es noch ländlicher mag, quartiert sich im
- Domo de Resteblas ein, ein ruhiges Agriturismo mit Pool. Preise und Verfügbarkeit bei Booking.com prüfen
Essen & Trinken:
- Casa Ruiu, Via Grazia Deledda 48, Nuoro, casaruiu.com
- Caffè Nina, Via Torres 8, San Pantaleo, www.caffenina.it
- Weingut Atlantis, Via Torino 3, Berchidda, www.atlantiswine.it
Erleben:
Für Weinliebhaber empfiehlt sich das Sardinien Wein Festival im Juli oder das Bienvenuto Vermentino Ende September. Romantiker fahren mit dem „Treno Verde“, einer Schmalspurbahn, die sich durch die Landschaft schlängelt. Und wer einfach nur Kirche im Grünen mag, findet sie überall – oft ganz allein auf weiter Flur.
Arzachena: Nuraghe La Prisgiona und Gigantengrab Coddu Vecchiu – Archäologischer Park von Arzachena: gesecoarzachena.it. Wenn du tiefer in in das Thema eintauchen willst: Mein Reisebloggerkollege Daniel hat sich in seinem Artikel über die Nuraghen und Gigantengräber bei Arzachena auf eine kleine Zeitreise begeben.
Museen in Nuoro:
- MAN (Musée d’art de la province de Nuoro), Via Sebastiano Satte 27, Nuoro, museoman.it
- Grazia Deledda, Via Grazia Deledda 42, Nuoro
- Spazio Ilisso, Via Angelo Brofferio 23, Nuoro, spazioilisso.it
Weitere Infos findest du auf der offiziellen Tourismusseite von Sardinien (Sardegna Turismo): www.sardegnaturismo.it/de/
Bonus-Stop: Baia Sardinia
Zum Abschluss ein Sprung ans Meer? Für uns war es im April noch zu kalt, aber ein kurzer Abstecher zur Baia Sardinia musste trotzdem sein. Der Küstenort war einst eine Festung aus Granit, heute genießt man in Strandclubs wie dem PhiBeach coole Drinks und laue Sommernächte.
Wenn Sardinien eines lehrt, dann dies: Für die Insel sollte man sich Zeit nehmen und auch das Unerwartete entdecken – Schicht für Schicht, Geschmack für Geschmack, Geschichte für Geschichte. Und vom Strand aus auch mal den Blick ins Landesinnere zu wenden.
Welche Orte auf Sardinien haben dich am meisten überrascht?
*) Blaue Zonen – Geheimnis des langen Lebens: Blaue Zonen sind geografische Regionen, in denen die Menschen auffallend länger leben und eine hohe Lebensqualität genießen. Der Begriff wurde erstmals von Dan Buettner geprägt, einem Forscher, der die fünf Gebiete der Welt untersuchte, in denen Menschen besonders alt werden. Diese Zonen zeichnen sich durch eine Kombination von gesunder Ernährung, regelmäßiger Bewegung und starken sozialen Bindungen aus. Zu den bekanntesten Blauen Zonen gehören Okinawa in Japan, Ikaria in Griechenland und Loma Linda in Kalifornien.
Sardinien ist eines dieser besonderen Gebiete. Die Region um das Bergdorf Villagrande Strisaili, im Herzen der Insel, ist berühmt für ihre hohe Zahl an Hundertjährigen. Diese sardische „Blaue Zone“ ist eine der wenigen in Europa, in der Menschen nicht nur ein hohes Alter erreichen, sondern dabei auch eine außergewöhnlich gute Gesundheit bewahren.
Die Geheimnisse dieses langen Lebens liegen zum einen in der mediterranen Ernährung, die reich an frischem Gemüse, Olivenöl und Hülsenfrüchten ist, zum anderen in der engen Gemeinschaft und den sozialen Strukturen der Dörfer. Hier ist das Leben nicht nur von gesundem Essen geprägt, sondern auch von einer aktiven Lebensweise und einer tief verwurzelten Verbindung zu den Traditionen und der Natur. Diese Mischung aus Ernährung, Bewegung und sozialer Verbundenheit sorgt für eine bemerkenswerte Lebensqualität und ein hohes Alter – ein faszinierendes Beispiel dafür, wie viel unsere Umwelt und unser Lebensstil beeinflussen können.
Weiterreisen? Wie wärs mit Sizilien?
Transparenzhinweis: Zu dieser Reise wurde ich von Moby Lines eingeladen. Bei meinen Recherchen nutze ich gelegentlich die Unterstützung von Fremdenverkehrsämtern, Tourismusagenturen, Veranstaltern, Fluglinien oder Hotelunternehmen. Dies hat keinen Einfluss auf den Inhalt der Berichterstattung.