Entgegen aller Gewohnheit sind wir dieses Mal als Early Birds unterwegs. Unser Flieger landet so früh in Bremen, dass selbst in den Frühstückscafés noch gähnende Leere herrscht. Auch gut, so bleibt Zeit, erst einmal durch die Wallanlagen der Stadt zu spazieren und dabei die beste Lokalität zu suchen. Die haben wir recht schnell gefunden.
Richtig nett in den Tag starten kann man im Canova. Das Café & Restaurant liegt etwas versteckt, hinter der Kunsthalle, dafür mit sehr freiem Blick ins Grüne. Im Sommer sitzt man auf der Terrasse quasi mitten in der Natur.
Inhaltsverzeichnis
Kunstvoll Frühstücken am Freitag
Tische und Stühle stehen noch draußen an diesem sonnigen Oktobervormittag, aber es ist ziemlich frisch, so dass wir lieber einen der Plätze drinnen am Fenster nehmen.
Weiße Tischdecken, Minirosen in der Vase, Aussicht auf buntes Herbstlaub und auf ein kreatives Frühstück – so fängt ein Tag gut an. Fisch oder Fleisch, gar nicht so leicht, sich zu entscheiden: Des Bremer schönstes Laster mit Emder Matjes und Ahlhorner Forelle oder Tierisch gut mit Meersalzschinken und Leberwurst vom Bunten Bentheimer Schwein? Wir nehmen beides und teilen.
Kaffee oder erst mal ein Glas Sekt? Im Canova ist man darauf eingestellt, dass ein Frühstück schon mal ein bisschen länger dauern darf. Wir sitzen gern hier, auf den bequemen Lederstühlen und planen unser Genuss-Wochenende.
Nur ein paar Schritte sind es vom Canova durch den bezaubernden alten Teil von Bremen bis zum Weser-Ufer. Die Schlachte, Promenade und Tourimeile in einem, gleicht in der warmen Jahreszeit einem einzigen langen Tresen. Bar, reiht sich an Pub, an Restaurant.
Im Wasser schaukelt die Alexander von Humboldt, besser bekannt als das Segelschiff aus der TV-Bierwerbung. Die Salzluft hat der Dreimaster gegen Pommesduft getauscht – und ankert als Restaurantschiff nun an der Schlachte.
Baristakurs im Kaffeehafen der Überseestadt
Gegenwind bläst uns ins Gesicht, so erscheinen die vier Kilometer bis zur Überseestadt fast doppelt so lang. Man könnte auch mit der Tram bis zum Europahafen fahren, doch der Spaziergang an der Weser ist viel schöner.
Die Überseestadt ist eines der größten Stadtentwicklungsprogramme in Deutschland. Ein Teil des alten Hafens verwandelt sich in ein Viertel, in dem Wohnen, Arbeiten und Freizeit ineinander wachsen: Lagerhallen und Speicher bekommen schicke Panorama-Glasfronten, Kubushäuser reichen bis ans Wasser, wie das Kranhaus, das an die alten Hafenkräne erinnern soll. Große Sommerterrassen und Strandkörbe warten auf die nächste Saison.
Auf der schnurgeraden Weser-Promenade zum Landmark Tower entstand ein Multi-Kulti-Mix an Restaurants für jeden Geschmack, dazwischen eine Oldtimerwerkstatt im Schuppen Eins, Büros, ein Yogastudio, Fitnesstempel. In der Marina schaukeln ein paar Boote.
Das Gelände ist sehr weitläufig und noch gibt es brachliegende Flächen. Aus Alt wird Neu wird Anders – ein Stadtteil im Umbruch. Bis 2025 soll alles fertig sein, heißt es im Infozentrum im Speicher XI, wo auch das Hafenmuseum untergebracht ist.
Im Kaffee- und Holzhafen dagegen wuchten Kräne Container hin und her. Auch Kaffee wird hier noch umgeschlagen, wie rohe Bohnen an der Laderampe eines Lagerhauses zeigen. Als wir um die Ecke zum Fabrikufer biegen, brauchen wir nur der Nase zu folgen. Frisch gemahlener Kaffee weist den Weg zur Kaffeerösterei Lloyd, wo wir uns ins Barista-Handwerk einweihen lassen.
Im vorderen Teil der Rösterei kann man den Kaffee gleich frisch vor Ort genießen. Wer tiefer eintauchen will, bucht ein Barista-Seminar bei Christian von der Kaffeerösterei Lloyd.
Zusammen mit zehn weiteren Kaffeefans sitzen wir zwischen 70 Pfund schweren Säcken mit Rohkaffee aus Guatemala und Costa Rica. In lockerer Runde plaudert der Chef kurz über Bohnen und Zubereitung, erklärt, warum mancher Espresso bitter und andere sauer schmecken. Dann gehts auch schon zur Praxis über: Espressi zubereiten mit einer Siebträgermaschine.
Unterstützt von Stefan, mobiler Espresso-Experte, der diesen Teil dieses Schnupperkurses übernimmt. Mahlen, Siebträger füllen, Kaffee mit dem Tamper andrücken und einhängen. Sieht einfach aus und verlangt doch etwas Übung.
Läuft der Espresso zu schnell raus, war er zu grob gemahlen, läuft er zu langsam, war das Pulver zu fein und schmeckt bitter. Ideal ist das Mäuseschwänzchen, oben dicker und nach unten wie ein Faden. Alles klar, läuft nach ein paar Versuchen.
Schaumschlägerei und Weihnachtsbäckerei
Nächste Stufe: Milch richtig schäumen. Eine Kunst für sich. Der Fettgehalt sei nicht so wichtig, eher der Eiweißgehalt. Der Profi gibt Tipps wie diese: den Schaum für eine Latte eine Weile stehen lassen, dann klappts auch ganz instagramlike mit den Farbschichten. Für Cappuccino muss die geschäumte Milch sofort eingegossen werden, sonst wird sie fest, deshalb kommt der Espresso zuerst in die Tasse. Stefan zeigt, wie ein Herz gegossen wird oder ein Blatt, ein Schwan, aber das ist wirklich was für Fortgeschrittene.
Vollgepumpt mit Koffein machen wir uns auf den Weg zurück in die Stadt.
Natürlich nicht ohne einen Stopp bei der Lebkuchenmanufaktur nebenan. Normalerweise produziert Manke-Coldeway Eiscreme, doch von September bis zum 24. Dezember backen sie hier Lebkuchen, Walnuss-Stäbchen und andere Köstlichkeiten für Weihnachten.
Wir dürfen in die Backstube schauen und verkosten. Mein glasklarer Favorit: die Friesischen Lebkuchen mit Sanddorn. Die schmecken überraschend anders. Weihnachtlich würzig mit einer säuerlichen, intensiven Beerennote – für mich als Fan der Nürnberger Elisen schon fast exotisch. Kann man übrigens bis Januar auch im Onlineshop bestellen.
Wein oder Essig?
Die gute Stube der Stadt rund um den Ratskeller ist gerade ziemlich voll, schließlich Ischa Freimaak. Mitte bis Ende Oktober veranstalten die Bremer ihren Freimarkt, die fünfte Jahreszeit. So richtig trubelig gehts zwar vor allem auf der Bürgerweide zu, doch auf dem Marktplatz gibts eine Mini-Ausgabe mit historischem Karussell, Riesenrad und den dazugehörigen Buden zum Zwischendurch-Snacken – von Falafel bis Fischbrötchen.
Immer da und typisch bremisch: die beiden Bratwurst-Stände an der Kirche Unser lieben Frauen. Wer will, kann direkt vergleichen, wo die besten Würste gebraten werden, bei Kiefert oder Stockhinger. Und ob wir wollen! Schmecken beide wunderbar und gelernt haben wir auch noch was: Eine Bratwurst ist nicht dasselbe wie eine Rostbratwurst. Nur letztere kommt knusprig vom Grill.
Eine Schau sind die Kaufmannshäuser in der Innenstadt von Bremen. Angefangen vom Schütting, gegenüber vom Ratskeller und heute Sitz der Handelskammer bis zum Essighaus in der Langenstraße, viele aus dem 16. Jahrhundert.
Besonders fotogen: die Stadtwaage gleich nebenan. Für die prachtvollen Renaissance-Bauten beauftragte man eigens Baumeister aus Antwerpen, erkennbar an den charakteristischen Giebeln.
Daran gemessen fast puristisch, aber ebenso ein Schmuckstück: die Böttcherstraße. Nur 110 Meter lang, aber Bremens heimliche Hauptstraße, finanziert von einem Kaffeefabrikanten Ende der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts – und in den letzten Jahren wieder hübsch hergerichtet. Dank dem goldenen Relief mit dem Lichtbringer am Eingang der rotgeklinkerten Passage nicht zu verfehlen. Ein kleines Paradies, in dem es vor allem am Wochenende schon mal etwas eng werden kann.
In der kleinen Rösterei im Crusoe-Haus bekommen wir erst beim dritten Anlauf ein Plätzchen – und sehr guten Kaffee. Kaum entscheiden kann ich mich im Bremer Teekontor zwischen den vielen Sorten, so fein duftet es aus jeder Dose. Ostfriesenland oder Kenia? Mit der Bremer-Bratapfel-Mischung stimmen wir uns schließlich schon mal auf die Vorweihnachtszeit ein. Gegenüber die nächste Versuchung: In der Bremer Bonbonmanufaktur werden heute Karamell Fudges hergestellt, unwiderstehlich, dieser Karamellgeruch! Im Handwerkerhof könnte ich stundenlang stöbern. Handgemachte Seifen, Teegeschirr, hochwertige Messer, Gin aus einer kleinen Destille im Norden … selbst der Mann hat heute Spaß beim Shoppen.
Zur vollen Stunde wird es still in der Böttcherstraße, das Glockenspiel aus Meißner Porzellan erklingt. Köpfe liegen im Nacken, Kameras klicken, kollektives Innehalten, manche summen leise mit. Wunderschön.
Wir lassen uns treiben, Richtung Rathaus. In dessen riesigem Keller lagert ein ganz besonderer Schatz: Wein. Seit 1405 wird im Bremer Ratskeller mit Wein gehandelt, einige der Flaschen im unterirdischen Gewölbe sind mehrere hundert Jahre alt. Bei einer geführten Tour erfahren wir noch ein weiteres Geheimnis im Fasskeller.
Bremer Spezialität: Knipp, knipp, hurra!
Im Ratskeller duftet es bereits lecker aus der Küche, doch wir haben heute eine andere Verabredung. In der Küche des Restaurants Intermezzo lassen wir uns von Koch Marcel zeigen, wie die typischen Bremer Spezialitäten zubereitet werden.
Knipp zum Beispiel. Eine Art Grützwurst mit Innereien, die scheibenweise in der Pfanne gebraten und mit Bratkartoffeln sowie Apfelmus gegessen wird. Ein Tipp von Marcel: von jeder Zutat etwas auf die Gabel und zusammen in den Mund nehmen. Und tatsächlich, einzeln schmeckt es wie Wurst oder Bratkartoffeln eben schmecken, erst die Kombination macht dieses Gericht perfekt. Bodenständig, ehrlich, gut. Und schnell zubereitet.
Etwas aufwendiger: Labskaus. Für die schnelle Variante vermischt man Corned Beef mit zerdrückten gekochten Kartoffeln. Das Original, ein Stück gepökelte Rinderschulter, sehr lange kochen und erst dann den Kartoffelstampf dazu geben. Serviert mit roter Beete, Gewürzgurke, Rollmops (in Bremen optional) und einem Spiegelei wird daraus ein deftiges Hauptessen. Soulfood für kalte Tage.
Was auf einer traditionellen Bremer Speisekarte nicht fehlen darf, ist Grünkohl mit Pinkel. Den hat Marcel bereits gestern vorbereitet, schmeckt einfach besser, je länger der Kohl kocht. Matjes und Rote Grütze komplettieren unseren Bremer Tapas-Teller, den wir nun mit Genuss leer putzen.
Sonntags in der Parkallee
Die Weinbar um die Ecke ist noch geöffnet, der Abend lang – und der Sonntagmorgen perfekt, um uns etwas frische Luft um die Nase wehen zu lassen.
Ein paar Stationen mit der Tram, am Stern aussteigen und schon sind wir am Schwanensee. Durch den Bürgerpark ziehen sich Wasserwege, im Sommer kann man Boot fahren, riesige Rhododendren lassen die Pastell-Farbenpracht im Frühling erahnen. Übermannshohe Ilex-Sträucher mit glänzend grünen, stachligen Blättern und leuchtend roten Beeren erinnern an Weihnachtsdeko. Blätter tanzen, ein paar Ruderkähne dümpeln verlassen im Wasser.
Die Meierei im hinteren Teil des Bürgerparks, ein Holzhaus mit Schnörkeln, würde gut als Kulisse eines Südstaatenfilms durchgehen. Kein Verkehrslärm, die Stadt scheint weit weg, nur der Wind rauscht durch die Baumkronen. Die Wege gehören den Spaziergängern, nicht mal Radfahren ist erlaubt. Bänke laden zum Sitzen ein, noch mal Herbstsonne tanken. Sogar frei lebende Rehe soll es im Park geben. Ein paar Blässhühner picken die letzten Happen vom Ufer, eine Möwe scheint sich verirrt zu haben in die grüne Oase mitten in der Stadt.
Auf dem Rückweg entdecken wir ein weiteres Postkartenmotiv von Bremen: die Mühle am Wall, die schon lange nicht mehr mahlt und in die man heute einkehren kann. Haben wir aber nicht getestet.
Stattdessen unternehmen wir noch einen kleinen Ausflug nach Worpswede. In das Künstlerdorf 20 Kilometer nördlich von Bremen locken mindestens drei Dinge: die Kunsthalle mit wechselnden Ausstellungen, das Bib-Gourmand-Restaurant daneben und das unglaublich weiche Licht am Nachmittag – falls die Sonne scheint. Tat sie für uns zwar nicht, schön wars trotzdem.
Ach ja, die berühmtesten Bremer: Obwohl sie es bekanntermaßen nie bis Bremen geschafft haben, sind die vier Bremer Stadtmusikanten allgegenwärtig in der Weser-Metropole. Vor dem Rathaus beispielsweise als Bronzefiguren. Und als Glücksbringer: den Esel mit beiden Händen anfassen (sonst gibt ein Esel dem anderen die Hand) und was wünschen.
Unsere Genussreise-Empfehlungen für Bremen:
Übernachten:
Hotel Atlantic, Bredenstraße 2, Bremen: super Lage mitten in der Altstadt (Tipp: Zimmer in den Innenhof reservieren und morgens vom Glockenspiel in der Böttcherstraße wecken lassen), www.atlantic-hotels.de/grand-hotel-bremen-innenstadt
Einkehren:
Unsere Empfehlungen haben wir übersichtlich im Artikel Restaurant-Tipps in Bremen zusammengestellt.
Erleben:
Wein-Tour durch den Bremer Ratskeller, Infos zu den Rundgängen, Verkostungen und Tickets gibt es im Stadtweinverkauf am Schoppensteel 1, Bremen oder online unter www.ratskeller.de
Barista-Seminar bei Lloyd Caffee, Fabrikufer 115, Bremen (Überseestadt), mit der Tram Linie 3 in knapp 20 min erreichbar, Anmelden unter www.lloyd-caffee.de
Nagelroute: Mit einem Audioguide lässt sich die Stadt gut auf eigene Faust erkunden. Einfach den im Boden eingelassenen „Nagelköpfen“ folgen. Dauer ca. eine Stunde. Tickets, Plan und Audioguide sind in der Tourismusinformation am Markt (Ecke Langengasse) erhältlich.
Mit der Bremen Erlebniscard kann man kostenlos Busse und Bahnen nutzen. Weitere Vorteile unter www.bremen-tourismus.de
Während meiner Städtreisen nutze ich gern die Dumont direkt Reiseführer, die ich zum Teil vom Verlag zur Verfügung gestellt bekomme, aber auch sonst aus vollem Herzen empfehlen würde. Kostenfrei bestellen kannst du das Buch über diesen Amazon-Partnerlink: DuMont direkt Reiseführer Bremen: Mit großem Cityplan.
Meine Reisen werden zum Teil unterstützt durch Tourismusverbände, Veranstalter und Hotels. Auf Art, Inhalt und Umfang meiner Artikel hat dies keinen Einfluss, meine Meinung bleibt wie immer die eigene.
4 Kommentare
Danke für diesen tollen Artikel!
Als Bremerin lese ich total gerne Blogbeiträge von Touristen über meine Heimatstadt.
Schön, dass Bremen euch gefallen hat (hat sich zumindest so angehört).
Ihr habt auch wirklich alles gemacht, was ich euch empfohlen hätte!
Ihr solltet unbedingt nochmal im Frühling kommen, dann blüht es im Rhododendronpark ganz bunt und auch die Wiese vor der Mühle in den Wallanlagen ist dann von einem Feld aus Tulpen umgeben.
Viele Grüße
Lara
Danke, liebe Lara. Im Frühling stelle ich mir Bremen auch sehr schön vor, vielleicht klappt’s ja mal.
Ja … was Kaffee, Bier, Wein sowie Bars und Cafés angeht hat Bremen sehr viel zu bieten. Ein Besuch der Hansestadt Bremen lohnt sich !