Über eine steile Treppe steigen wir ins Gewölbe des Ratskellers hinab – und landen in der Unterwelt des Alten Rathauses. Die Mauern haben bereits viele Jahrhunderte kommen und gehen sehen. Man kann die Geschichte förmlich atmen. Menschen, die an schweren Holztischen tafeln und so manchen Krug leeren. Geschäfte mit Wein besiegeln oder Sorgen wegspülen.
Im Grunde hat sich nicht viel verändert. Gegessen und getrunken wird im Ratskeller auch mehr als 600 Jahre später noch gern. Wände und Decken sind weiß getüncht und beleuchtet, das nimmt dem Raum ein bisschen von seiner Dunkelheit und Schwere, ohne dass er weniger urig wirkt.
Das Erste, was uns auffällt, sind die Prunk- und Deputatsfässer auf der linken Seite. 30.000 Liter Fassungsvermögen und aufwendig mit Schnitzereien verziert. Mit einem Delfin oder Reliefs von Affen, Drachen und Löwen auf anderen Fässern.
Die Fässer sind Geschenke der Weinherren im 17. Jahrhundert. Daraus durften sich die Beamten bedienen – pro Tag bis zu drei Liter Wein, eine durchaus übliche Entlohnung zur damaligen Zeit. Die Fässer sind längst leer und auch Staatsdiener bekommen ihr Salär mittlerweile in anderer Form. Nur die Redewendung ist noch geläufig: flüssig bleiben.
Die Tradition führt Ratskellermeister Karl-Josef Krötz in gewisser Weise weiter. Mit eigenen Etiketten auf der Flasche. Passend zu den Fässern hat er Weine ausgewählt, die dem Charakter des jeweiligen Tieres entsprechen, beispielsweise eine Rotwein-Cuvée aus dem Barrique als „Drachenwein“ oder einen Rheingau-Riesling als „Löwenwein“. Wie der Löwe im Tierreich, gilt der Riesling als König der Reben.
Wer will, kann sich diese und mehr als 600 weitere Weine direkt im Ratskeller einschenken lassen, je nach Anlass gern in den Prölken.
Die Mini-Separees sind heute beliebt für Dinner bei Kerzenschein zu zweit und wirken ziemlich gemütlich. Das war nicht immer so. Weil es da drinnen auch schnell ziemlich ungemütlich werden kann, wenn man mit steigendem Alkoholpegel in Streit geriet. Was bei der Bremer Bürgerschaft, die gern in den Prölken ungestört verhandelte, durchaus vorkommen konnte. Deshalb galt ein eisernes Gesetz: Sitzen weniger als drei Personen drin, bleibt die Tür auf. Ohne Ausnahme bis heute.
Im Hauff-Saal trifft man auf alte Bekannte: die Bremer Stadtmusikanten. Obwohl sie nie in der Stadt angekommen sind, haben sie ihren Platz am Ende doch noch auf einem Wandgemälde gefunden. Tafelnd in fröhlicher Runde. Einer, der tatsächlich in diesem Raum regelmäßig die Nacht verzechte und diese Erlebnisse in der Novelle „Fantasien im Bremer Rathaus“ verarbeitete, war der Märchenerzähler Wilhelm Hauff.
Das Bremer Rathaus zählt zum Unesco-Weltkulturerbe, doch nicht allein wegen der schönen Fassade. Den Titel verdanken die Bremer dem Keller mit wertvollen Süßweinen aus mehreren Jahrhunderten. Der erstreckt sich unter dem Alten Rathaus vom Domhof bis zum Unser Lieben Frauen Kirchhof auf mehr als 5.000 Quadratmetern.
Bremer Ratskeller: Weinhandel seit 1405
Weingeschäfte betreiben die Bremer in ihrem Rathaus bereits seit 1405, nach eigenen Angaben ist der Ratskeller weltweit der größte Weinhändler für deutsche Qualitätsweine. Grund war eine finanzielle Misere, die Kirche, in deren Hand das Weinmonopol im 14. Jahrhundert lag, war nicht mehr flüssig genug. Die Ratsherren nutzten ihre Chance und obwohl vom Rathaus gerade mal der Keller fertig gebaut war, übernahmen sie Ausschank und Handel. Ziemlich innovativ zur damaligen Zeit.
Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts änderte sich wenig. Später fiel das Monopol und mit Inkrafttreten des deutschen Weingesetzes spezialisierte sich der Bremer Ratskeller Weinhandel noch weiter: auf deutsche Qualitäts- und Prädikatsweine. Heute gehört das Unternehmen der Stadt Bremen. Eigenen Wein baut man im Bremer Ratskeller seit 1982 nicht mehr aus.
Durch eine schwere Holztür (ein Flügel wiegt allein 350 Kilogramm) kommen wir in das Heiligste: die Schatzkammer. Überwiegend edelsüße Trockenbeerenauslesen liegen hier. Gedämpftes blaues Licht, ein Stahlgitter und atmungsaktive Folien schützen die kostbaren Weine tief unter dem Bremer Marktplatz.
1.200 Weine aus allen 13 deutschen Anbaugebieten führt Krötz im Sortiment. Besonders stark ist die Mosel vertreten, Heimat des Ratskellermeisters.
Der teuerste Wein stammt aus dem Jahrgang 1727(!). Gemessen an seinem Alter ein wahres Schnäppchen: 1.500 Euro. Vor Kurzem wurde eine Flasche davon verkauft. Der Wein soll so gut gewesen sein, dass ihm die verkostenden Sommeliers volle 100 Punkte gaben.
Je älter, desto teuer, gilt nicht unbedingt. Eher: je seltener, desto wertvoller. Ein Riesling aus der Lage Wehlener Sonnenuhr von 1959 ist schätzungsweise 10.000 Euro wert, weil es davon nur noch wenige Flasche gibt.
Highlight der Kellertour ist eine Rarität im Rose-Keller. In der Luft glaubt man den Wein riechen können. Wie auf einem Altar thront ein einziges Fass am Ende des Raumes: ein Rüdesheimer Wein aus dem Jahr 1653. Ob und wieviel Wein tatsächlich noch im Fass ist, bleibt das Geheimnis des Kellerchefs. Früher durften hochrangige Gäste der Stadt ein Schlückchen davon kosten, eine der letzten war die englische Queen.
Bremer Ratskeller, Schoppensteel 1, 28195 Bremen, www.ratskeller.de
Termine und Tickets für die Kellerführungen findest du hier.
Danke an die Bremer Touristikzentrale für die Einladung. Meine Reisen werden zum Teil unterstützt durch Tourismusverbände, Veranstalter und Hotels. Auf Art, Inhalt und Umfang meiner Artikel hat dies keinen Einfluss, meine Meinung bleibt wie immer die eigene.