Nach dem wunderbaren Weinerlebnis in Stuttgart, fahren wir raus aus der Stadt, 20 Kilometer Richtung Norden. Unsere Genussreise mit TastyStuttgart und VisitBawu führt uns heute in zwei Orte, die durch den Weinbau geprägt wurden und doch heute sehr verschieden sind – das romantisch verträumt wirkende Besigheim und das kulturell angehauchte Bietigheim. Eins verbindet sie dennoch: Stopps für Genießer haben wir in beiden Städtchen gefunden.
Inhaltsverzeichnis Teil 2:
Architektur und Kultur in Bietigheim
Besa em Städtle
Heimweh & Fernweh am Herd
Europameister-Weißwurst in Besigheim
Durch Steillagen wandern
Weitere Beiträge dieser Miniserie:
Teil 1: Meine Genuss-Hotspots in und um Stuttgart
Teil 3: Genuss auf Schwäbisch – neu interpretiert: Maultaschen to go
Die Altstadt von Bietigheim erkunden wir auf der Flaniermeile – vom Pferdeturm bis zur Kuh, die auf dem Melkeimer balanciert. Erster Hingucker: das Visconti-Haus. Wie ein überdimensionales Weinfass thront das Tonnenhaus mit seiner Klinkerfassade in der oberen Hauptstraße. 300 Kopfskulpturen von Persönlichkeiten verschiedener Epochen zieren den Bau, der nach der Mailänder Gräfin Antoia Visconti benannt wurde, Ehefrau von Graf Eberhard der Milde von Württemberg. Unter Leitung von Jürgen Goertz entstand auch der Turm der grauen Pferde auf dem Hillerplatz davor.
Architektur und Kultur in Bietigheim
In Bietigheim findet Anfang September jedes Jahr die größte Pferdeschau Süddeutschlands statt. Der einstige Ross- und Viehmarkt hat sich längst zum Volksfest mit Rahmenprogramm gewandelt, die Pferde sind bis heute Hauptdarsteller geblieben, nicht nur beim großen Umzug durch die Altstadt zum Abschluss des Pferdemarktes. An diesem Vormittag werden die Blumenkübel wieder hingeräumt, die dafür weichen mussten. Und das sind ziemlich viele, so überbordend sind die Gassen geschmückt, Olivenbäumchen und Oleander bringen Mittelmeerflair an die Enz. Besonders schön blüht es rund ums Rathaus, am liebsten würde ich mich jetzt in eines der kleinen Cafés setzen und die Sonne genießen.
Bietigheim ist eine Kleinstadt mit großem Kulturangebot, hier die Kunstschule, dort Kleinkunst im Keller. Der Bummel durch den Ort ein Fest auch für alle, die sich für Architektur interessieren: Altes Fachwerk verschmilzt mit modernen Glas-Stahl-Konstruktionen. Innenhöfe, Gärten und Fassaden lassen nicht nur den kulturellen Reichtum der Stadt erkennen. Im Mittelalter sprudelten die Einnahmen vom Weinbau, mittlerweile lebt man gut von der Autoindustrie und deren Zulieferern. Parken für zehn Cent die Stunde, wo gibts das sonst noch in einem Ballungsraum?
Besa em Städtle
Wie es dem Weinbau in der Region heute geht, erzählt uns Winzer Stephan Muck. Wir treffen uns in seinem „Besa em Städtle“, hinter der alten Kelterhalle von Bietigheim. Die wird von ihm und einigen Kollegen während der Lese benutzt, das restliche Jahr über kann der Raum für Veranstaltungen genutzt werden. Nur noch drei hauptberufliche Winzer arbeiten in Bietigheim. Die mühsame Arbeit in den Steillagen wollen sich viele nicht mehr aufbürden, Rebflächen sind fast umsonst zu haben. Als Stadtrat kennt Stephan auch die wirtschaftspolitische Situation, er erzählt von den Zuschüssen beispielsweise für den Bau und Erhalt von Trockenmauern im Weinberg, die die Rebterrassen vor dem Abrutschen sichern. Etwa 400 Euro kostet es, einen Quadratmeter dieser Kulturlandschaft zu erhalten. Neben der Handarbeit ein weiterer Faktor im Steillagenweinbau. Von den 120 Hektar Rebfläche, die es einst in Bietigheim gab, existiert heute noch etwas mehr als ein Zehntel. Nur mal als Vergleich: Rund 1.200 Stunden im Jahr muss ein Winzer hier im Weinberg arbeiten, in der Ebene sind es maximal 400. Ohne Idealismus funktioniert da nix.
Heimweh & Fernweh am Herd
Während es in der Besenwirtschaft von Stephan eher zünftig zugeht, lockt Familie Maerz im Hotel Rose mit Sterneküche. „Heimweh, Fernweh“ heißt das Konzept. Das vereint regionale Gerichte und kulinarische Inspiration, die sich Benjamin auf seinen Reisen holt. Heimatverbunden und weltoffen – auf dem Teller entstehen daraus Kreationen wie Stauferico Schweinebauch im Pho-Sud mit Kohlrabi und Erdnuss, Vietnam lässt grüßen. Oder die klassische schwäbische Hochzeitssuppe: Ente nach Peking-Art trifft Dim Sum und Rettich.
Wer keine Lust auf ein ganzes Dinner hat, findet in der Maerzschen Weinbar eine Alternative. Eingerichtet in warmen Farbtönen, modern, aber nicht zu lässig, genießt man den Abend mit Weinen und Gerichten der kleinen Karte.
Europameister-Weißwurst in Besigheim
Noch ist es erst Mittag, doch der kleine Hunger stellt sich allmählich ein. Wir fahren rüber nach Besigheim ins Metzgerei-Bistro Öchsle und ordern Weißwurst. Aus gutem Grund: Wolfgang Herbst ist Europa-Weißwurst-Meister. Als Schwabe? Das muss er uns näher erklären.
Wir setzen uns an einen der Tische draußen vorm Geschäft. Die Weißwurst sei ja gar nicht in München erfunden worden, erzählt Wolfgang. Sondern in der Normandie, dort gibt es die Boudin blanc schon seit dem 15. Jahrhundert, erst Napoleon habe diese nach Bayern gebracht. Und der musste vorher ja zwangsläufig durch Baden-Württemberg.
Und die Geschichte mit der besten Weißwurst?
Irgendwann hat er von diesem europaweiten Wettbewerb gehört, den die französische Bruderschaft in Alençon veranstaltet, reicht, wie 500 weitere Metzger, eine Wurstprobe ein und hofft. Beim zweiten Mal, 2007, hat es dann geklappt: erster Platz!
Und wie diese Weißwurst schmeckt! Butterzart und doch fest in der Konsistenz, mit feiner Kräuternote, frisch abgeschmeckt mit einem Hauch Zitrone. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine bessere gegessen zu haben, auch wenn das jetzt an dieser Stelle klingt wie Werbung. In diesem Fall und mit voller Überzeugung: gern geschehen.
Übrigens: Der 49. Breitengrad, also der Weißwurst-Äquator, führt direkt durch Besigheim, die Metzgerei liegt südlich dieser Grenze. Allein angesichts dieser Tatsache ist alles im grünen Bereich.
Die Metzgerei Herbst ist mittlerweile die einzige in Besigheim, als die Eltern den Betrieb übernahmen, waren es mal sieben. Es bräuchte mehr solche Leute wie Wolfgang, der sich leidenschaftlich für sein Handwerk engagiert. Der uns mit leuchtenden Augen auf seinem Handy Fotos vom letzten Sommerferienkurs zeigt, bei dem Schulkinder von ihm lernen, Saitenwürstchen herzustellen. Die Mini-Meister sind mit solchem Eifer bei der Sache, dass dem Harleyfahrer das Herz aufgeht. Wahrscheinlich sind es genau solche Erlebnisse, die man braucht, um täglich lang vor Sonnenaufgang seinen Arbeitstag zu beginnen.
Gut gestärkt drehen wir noch eine Runde durch den Ort, und der hat viel zu bieten. Einen Titel zum Beispiel: Schönster Weinort Deutschlands. Enge Gassen, Fachwerkhäuschen und jede Menge Cafés, Restaurants und Weinstuben. Besigheim liegt postkartenschön auf einem Bergrücken, den Neckar und Enz ursprünglich an drei Seiten umflossen. Umgeben von steilen Weinbergen inmitten der „Schwäbischen Dolomiten“: die Felsengärten. Besonders hübsch ist der Marktplatz mit dem Drei-Giebel-Haus.
Durch Steillagen wandern
Am Aussichtspunkt „Schönsten Weinsicht“, zwei Kilometer flussabwärts, treffen wir den Bürgermeister von Walheim.
Wir haben uns verspätet, Albrecht Dautel ist trotzdem bestens gelaunt („hab doch mobile Endgeräte“). Nur das Begrüßungs-Schlückle Trollinger habe er vergessen, mit in den Schatten zu nehmen, der hat jetzt Glühweintemperatur. Sagt’s und lacht sein glucksendes Lachen. Das Panorama ist grandios und als, wie fürs Foto bestellt, unterhalb der Weinberge ein Zug durchs Bild fährt, fühlt sich das an wie Modelleisenbahnromantik.
Albrecht erzählt von zwölf neuen, markierten Wanderwegen, auf denen man bald mitten durch die Steillagenweinberge gehen kann – ein gemeinsames Projekt mehrerer Gemeinden am Neckar, mit dem die Kulturlandschaft erhalten werden soll. Tolle Angebote für Wein- und Naturliebhaber gibt es bereits jetzt, zum Beispiel die Weinfässer, in denen man zwischen den Reben übernachten kann. Und für Wanderer wartet an der Aussichtskanzel in Walheim am Wochenende der Weinkiosk mit den Gewächsen der lokalen Winzer – als Lohn für den Aufstieg über die Himmelsleiter, einer Wengert-Staffel vom Besigheimer Enzufer bis zum Panoramaweg an der Weinlage Schalkstein.
Infos & Adressen:
Besa em Städtle, Weingut Muck, Turmstraße 14, Bietigheim-Bissingen, www.besa-em-staedtle.de, www.weinbau-muck.de
Metzgerei Herbst/Herbsts Öchsle, Hauptstr. 31, Besigheim, www.metzgerei-herbst.de, www.herbsts-oechsle.de
Maerz & Maerz, Kronenbergstraße 14, Bietigheim-Bissingen, www.maerzundmaerz.de
Dieser Artikel entstand in Kooperation mit Tourismus Marketing Baden-Württemberg und der Stuttgart Marketing GmbH. Meine Reisen werden zum Teil unterstützt durch Tourismusverbände, Veranstalter und Hotels. Auf Art, Inhalt und Umfang meiner Berichte hat dies keinen Einfluss, meine Meinung und alle Empfehlungen sind wie immer die eigenen.
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