Eine leichte, aber landschaftlich wunderschöne Wanderung führt von Gadmen zum Triftgletscher und der spektakulären Hängebrücke. Mit Bahn und Postauto komme ich von Meiringen via Innertkirchen zum Ausgangspunkt der Tour an der Talstation der Triftbahn. Knapp fünf Minuten braucht die Seilbahn bis zur oberen Station, weitere 90 Minuten dauert es bis zur Triftbrücke zu Fuß. Immer bergauf, über felsiges Gestein kraxelnd, kommt nach einer Stunde die Brücke in Sicht: elegant, geschwungen über dem türkisfarbenen Gletschersee.
Der Triftgletscher selbst ist immer trauriger anzusehen. An einigen Stellen scheint bereits der Fels durch. Kaum vorzustellen, dass das Eis einmal das halbe Tal bedeckte. Nur die glatt geschliffenen Felsen zeugen noch davon. Am Weg riesige Alpenrosenbüsche, Triftwasser donnert ins Tal und liefert den passenden Soundtrack zu dieser Tour.
170 Meter lang, 100 Meter hoch: Triftbrücke
Es braucht ein bisschen Mut, auf die Brücke zu gehen, sagte der Hotelier am Morgen als ich ihm mein Ziel nannte. Na toll, und das mit meiner Höhenangst. Mit einigem Respekt stehe ich am Anfang der Triftbrücke. Jetzt bloß nicht nicht blamieren, also mache ich es wie vom Ranger empfohlen: nicht nach unten schauen, nur das gegenüber liegende Ende mit den Augen fixieren. Das hängt gefühlt hundert Meter höher, die Brücke ganz schön durch. Zaghaft gehe ich los, die Hände beidseitig am Seil festgeklammert. Hinter mir betritt jemand anderes die Holzplanken. Es schaukelt. Puuhhh.
Irgendwann der Mitte angekommen, stehen geblieben … kurz runter geschaut. Lieber nicht. Mit vollstem Vertrauen in die Schweizer Ingenieurskunst, geradem Blick und Watte in den Knien erreiche ich die andere Seite. Ich habe mich getraut, das ist alles, was jetzt für mich zählt. Nur: Ich muss auf demselben Weg zurück, einen anderen gibt es nicht. Okay, einmal überlebt, dann schaffe ich auch ein zweites Mal.
Und was soll ich sagen? Die Angst ist wie weggeblasen. Ich gehe freihändig, schaue nach unten auf den Triftsee und schieße Fotos. Selbst Gegenverkehr: kein Problem.
Steilvorlage: die Gelmerbahn hat 106 % Steigung
Mutprobe bestanden. Was soll mir heute noch passieren, denke ich. Bis Rosa, die mich auf meiner Tour begleitet, noch einen Abstecher in die Grimselwelt vorschlägt, inklusive Gelmerbahn. Die steilste Standseilbahn der Welt. 106 Prozent Steigung.
Natürlich in der ersten Reihe, “da kannst du besser fotografieren”. Nach den ersten Metern überkommt mich Panik. Es fühlt sich an wie in der schlimmsten Achterbahn der Welt. Nur dass es bei der Gelmerbahn nicht so schnell vorbei ist.
Zwei Meter in der Sekunde. Am Anfang noch ganz gemächlich, doch bald fühlt es sich an, als würden wir senkrecht nach oben gezogen. 450 Meter hoch bis zum Stausee auf 1.860 m. Gebaut wurde die Gelmerbahn 1926 für den Materialtransport beim Bau der Gelmerseestaumauer. Heute fährt der Holzwagen nur noch zum Spaß.
Eine Runde um den Gelmerstausee dauert etwa zwei Stunden, der Aufstieg zur Gelmerhüttte drei. Der See ist einer von acht Stauseen, die für die Stromproduktion der Kraftwerke Oberhasli verwendet werden.
Liebend gern würde ich ins Tal zurück laufen, doch die Zeit reicht nicht. Ich muss wieder in die rote Höllenbahn. Diesmal ganz hinten – und alles ist halb so wild. Geht doch.
Noch ein Adrenalinkick: Direkt an der Talstation Gelmerbahn schwebt eine Hängebrücke über die Handeck-Schucht. Nicht so lang und hoch wie die Triftbrücke, trotzdem eine wackelige Angelegenheit 70 Meter über dem Boden.
Nächstes Mal vielleicht …
Die Reise wurde unterstützt durch Jungfrau Region Tourismus.
11 Kommentare
Liebe Antje,
Die Schweiz hat mich schon immer fasziniert. Die tolle Berglandschaft und auch weil alles so gut erschlossen und erreichbar ist. In vielen Gebieten der Alpen werden derzeit Hängebrücken gebaut auch an Stellen wo es nicht notwendig ist, sondern nur als Touristenattraktion. Die Hängebrücke bei Holzgau im Tiroler Lechtal zieht mehr Touristen und Schaulustige an als die schönste Landschaft drumherum. Da denk ich mir manchmal, wie froh wären die Menschen in Nepal oder in den Anden, wenn sie so komfortabel und sicher gebaute Hängebrücken hätten. Gruß Andreas
Lieber Andreas,
ich denke, man sollte touristische Aspekte von politischen trennen, die in den von dir angesprochenen Regionen wie Nepal oder Anden wahrscheinlich immer wieder mit den Bedürfnissen der Bergbewohner kollidieren. Da sind die Regierenden in der Verantwortung. Was die Schweiz angeht, ist mein Eindruck, dass touristische Entwicklungen sehr umweltbewusst und nachhaltig umgesetzt werden und nicht allein um ihrer selbst willen.
Gruß, Antje
Der erste Schritt auf eine Hängebrücke kostet uns immer die meiste Überwindung. Die Bilder sehen ziemlich lässig aus und erzeugen so ein spannendes Ameisenkribbeln in der Magengegend. Da wollen wir auch mal hin!
Wird euch gefallen, Silke und Thomas, und wenn ihr noch Tipps braucht, einfach melden 🙂
106 % Steigung – das habe ich noch nirgendwo gesehen. Und dann diese Hängebrücke in grandioser Natur – was für ein Ausflugsziel!
Ich glaube, die Gelmerbahn hält auch tatsächlich den Weltrekord als steilste Bahn. Die Landschaft dort ist einfach unbeschreiblich, eine Ansammlung von Superlativen.
Wow! Das ist ja eine grandiose Natur. Ob ich mich allerdings über die Brücke trauen würde, wage ich zu bezweifeln.
Ich musste mich ehrlich überwinden, hundert Meter erscheinen so verdammt hoch … aber die Neugier war stärker. Außerdem wäre ich ja sonst drei Stunden umsonst da hoch gelaufen.
Danke 🙂 Ist nur am Anfang schlimm, dann nur noch wow!
Wahnsinn! Ich will da jetzt hin,sofort!
Deine Bilder sind richtig klasse und ich glaub ich hätte auch Angst, aber letztendlich siegt die Neugier! Tolles Ausflugsziel!
Liebe Grüße
Simone