Nur rund 30 Minuten braucht der Sprinter vom Flughafen Schiphol bis nach Den Haag. Am Zugfenster zieht die Landschaft im Zeitraffer vorbei, Felder, Kanäle, Weiden. Viel Wasser, viel Grün. Vereinzelt Windmühlen. Sehr dekorativ. Dann die Skyline von Den Haag: ein Dutzend Wolkenkratzer, die über Villen und Häuschen mit Garten hinausgewachsen sind. Am markantesten: the tits, wie Einheimische die spitzen Zwillingstürme nennen.
Willkommen in Den Haag.
Den Haag erkundet man am besten mit dem Rad. Die halbe Stadt ist auf zwei Rädern unterwegs, egal ob abends mit engem Kleid und High Heels oder mittags beladen mit vollen Einkaufstaschen. Es gibt eigene Fahrspuren für Radler und bewachte, kostenlose Parkplätze.
Mein erstes Ziel ist die Prinsestraat. Cafés gibt es viele in dieser Straße, doch eins sticht besonders heraus: Lola. Praktischerweise kann man hier nicht nur einen der besten Kaffees der Stadt bestellen, sondern auch Räder mieten. Der Eigentümer wollte ursprünglich eine Fahrradwerkstatt eröffnen, eine Coffee Bar reizt ihn aber ebenso. Da dachte sich der Radfreak: warum nicht beides verbinden und so entstand Lola Bikes & Coffee. Der Kaffee ist übrigens ein echter Muntermacher, genau richtig nach dieser kurzen Nacht.
Bis zum Mauritshuis ist es nicht weit von Lola aus. Die Mittagszeit eignet sich perfekt für einen Museenbummel, es gibt kaum Gedränge. Fast 800 Bilder hängen in der königlichen Gemäldegalerie, viele entstanden im 17. Jahrhundert. Die meisten Werke stammen von holländischen Künstlern wie Rembrandt, Jan Steen und Vermeer. Das bekannteste Gesicht der Kollektion gehört dem Mädchen mit dem Perlenohrring.
Fasziniert hat mich auch Der Bulle. Das Besondere an diesem Gemälde ist das ungewöhnlich große Format von mehreren Metern Breite und Höhe in Kombination mit einer enormen Detailverliebtheit. Gebaut wurde das Mauritshuis im 17. Jahrhundert als Residenz für den damaligen Militärkommandeur und Gouverneur Maurits.
Weil es so schön ist, gleich noch eins. Ein paar Meter entfernt vom Mauritshuis, in der Lange Voorhout, befindet sich das Palais Escher, das als Winterschloss der früheren Königin-Mutter Emma diente. Mehr als zweihundert Jahre alt ist das inzwischen schwarze Haus an der Allee. Zu sehen sind drinnen vor allem Werke des niederländischen Künstlers M.C.Escher, der bevorzugt mit Sinnestäuschungen und Perspektiven experimentierte. Wie das Wasser, das scheinbar aufwärts fließt und andere Spielchen.
Nach so viel Kunstgenuss streife ich ein wenig durch die Innenstadt. Durch den Binnenhof, wo das Parlament tagt, und die royale Kutsche am Königstag defiliert zum Noordeinde, dem Arbeitspalast von König Willem-Alexander. Der allerdings gerade nicht arbeitet, sonst wäre die Fahne gehisst.
Die Architektur, der Kontrast aus alt und neu, ist ebenso spannend wie der Angebotsmix in Den Haag – von Filialisten in der Grote Marktstraat bis zu liebevoll dekorierten Interiorgeschäften, Galerien und Designerläden in der Prinsestraat. Überall laden Tische und Stühle vor den Cafés zu einer kleinen Pause ein. So wie das Wetter es zulässt, findet das Leben im Freien statt. Quirlig, bunt und entspannt wirkt das Treiben in den Straßen.
Sehenswert ist die Passage, ein hübsches Beispiel der im 19. Jahrhundert in den Metropolen so beliebten überdachten Einkaufsstraßen. Ein Muss: Hop & Stork, der vermutlich beste Schokoladenladen der Stadt. Selbst den Espresso Macciato schenkt der hauseigene Barista am Tisch ein, ach was, er zelebriert das geradezu. Und serviert obendrein ein Glas Wasser, eine Praline und eine Kostprobe Mousse au chocolat.
Bis zum Abendessen bleibt noch Zeit für einen Besuch des Paleistuin, dem Palast-Garten. Die Wiese gleicht einem riesigen Picknickplatz, auf dem jeder ein Plätzchen für seine Decke findet. Drum herum stehen weiße Gartenbänke, ein Springbrunnen und üppige Rhododendren. Etwas abseits, im ruhigeren Teil hinter dem Noordeinde-Palast, praktizieren Yogies ihre Übungen.
Die Plätze vor dem lindgrünen Retro-Cafe Pistache, am Eingang vom Palastgarten, sind begehrt. Und perfekt für einen Aperitif in der Abendsonne: Smoothies grün und rot, Rosé-Wein, Bier oder Tee, jeder wie er mag.
Hinter der Grote Marktstraat beginnt „Chinatown“ mit einer Reihe von Asia-Lokalen und -läden. Angesagt ist derzeit Little V, das vietnamesische Restaurant am Rabbijn Maarsenplein. Der erste Eindruck: Industrieambiente mit Chic. Die rustikalen, langen Holztische drinnen und die große Terrasse sind gut besetzt, man sollte reservieren. Gekocht wird mit viel frischem Gemüse und Kräutern, die auch als essbare Dekoration mit auf dem Teller landen. Die Portionen sind reichlich (und salzig), so dass ich mit Suppe, Reisröllchen sowie Rind mit Basilikum als Hauptgericht viel zu viel bestellt hatte und beim Dessert passen musste. Zum Essen schmeckt am besten Saigon-Bier oder einer der beliebten (radfreundlichen) Eistees wie Ginger Breeze (Jasmintee mit Ingwer).
Infos und Adressen:
Anreise
Mit der KLM von verschiedenen deutschen Großstädten nach Amsterdam (z.B. Stuttgart ca. 100 Euro) und mit dem IC Sprinter in ca. 30 min nach Den Haag
Essen & Trinken
Pistache Cafe, Prinsestraat 134, www.facebook.com/cafepistachecafe
Little V, Rabbijn Maarsenplein 21, www.littlev.nl
Lola Bikes & Coffee, Noordeinde 91, www.lolabikesandcoffee.nl
Hop en Stork, Passage, www.hopenstork.com
Unbedingt sehen
Mauritshuis, Plein 29, www.nauritshuis.nl
Palais Escher, Lange Voorhout 74, www.escherpaleis.nl
Palast-Garten (Paleistuin), Prinsestraat (beim Pistache Café)
7 Kommentare
Sehr bunt und lebensfroh! Selbst auf die Museen bekommen wir bei deinem Bericht richtig Lust! Offensichtlich eine tolle Alternative zu Amsterdam.
Ja, definitiv, auch kulinarisch. Man kann mit der Straßenbahn bis ans Meer fahren und am ehemaligen Pier tolles Streetfood probieren. Richtig cool.
Das ist ja eine sehr schöne Stadt. Mir gefällt die Kombination von alter und moderner Architektur sehr gut. Die hatte ich in Den Haag gar nicht erwartet. Mit einer kulinarischen Stadtführung kannst Du mich außerdem immer locken, Antje. Danke für die tollen Tipps.
Hatte ich auch gar nicht auf dem Plan. Ich wollte ursprünglich nur nach Amsterdam und kam auf der Messe dann mit den Leuten von Den Haag ins Gespräch, die mich neugierig machten. Und sie haben nicht zu viel versprochen.
Das werde ich im Juni alles ausprobieren! Danke für die netten Tipps!
Sehr gern. Und wenn noch Zeit ist, unbedingt die Bites & Stories Tour buchen, die kulinarische Stadtführung.