Es gibt zwei Arten, auf die ich eine Stadt am liebsten kennenlerne: beim Essen und zu Fuß. In London kann man beides wunderbar verbinden – bei der East End Food Tour.
Morgens kurz vor zehn Uhr am Old Spitalfields Market: Chris und Richard aus Brooklyn, Lee Ann und Linda aus Chicago, Andreas und ich werden uns in den nächsten 3,5 Stunden mit Tourguide Nicole durch acht verschiedene Lokale futtern. Das heißt, wir essen, Nicole schaut zu. Und schwärmt bei jedem Gang, als wäre es ihr erstes Mal. „Als ich mit den Touren angefangen habe, hab ich alles aufgegessen. Wenn ich so weiter gemacht hätte, müsste mir mein Chef jetzt eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio spendieren“, erzählt die Melbournerin, die seit ein paar Jahren in Spitalfields lebt. Die beste Nachbarschaft übrigens, die sie sich vorstellen kann.
St. John Bread and Wine
Erste Station vis-à-vis vom Markt: Schinken-Sandwich. Aber was für eins! Der Schinken, mit Salz und Honig eingerieben, trocknet monatelang an der Luft. Das Brot: selbst gebacken, mit Butter bestrichen und über Holzkohlen gegrillt. Seit zehn Jahren gibt es das St. John Bread and Wine bereits und noch immer wechselt täglich die Karte. Nur das Sandwich, das bleibt.
St. John Bread and Wine, 94-96 Commercial Street
The English Restaurant
Very british geht’s weiter: Bread & Butter Pudding im English Restaurant, dem ältesten Haus von Spitalfields, das auch schon als Nussrösterei und Lagerhaus diente. Bread & Butter Pudding war ein typisches Arme-Leute-Essen hauptsächlich aus altbackenem Brot und Milch – Resteverwertung, die schmeckt und für den Rest des Tages sättigt. Für mich etwas zu süß um diese Zeit. Trotzdem gegessen. Mit Sauce.
The English Restaurant, 50/52 Brushfield Street
The House of Androuet
Old Spitalfields Market ist eine Mischung aus Marktständen und Geschäften. Im Käseladen treffen wir Geoffrey, der uns mit französischem Akzent gereiften Cheddar und Stilton reicht. Englischer Käse zählte bislang nicht zu meinen Favoriten, gereifte generell nicht. Jetzt schon.
The House of Androuet, 107b Commercial Street, Old Spitalfields Market
Die Tour gerät ganz nebenbei zur Zeitreise durch Spitalfields. Da sind die hübsch verzierten Häuser der französischen Seidenweber in der Princelet Street. Die ehemalige Suppenküche, die bis 1992 täglich 1.500 Essen verteilte. Das Obdachlosenheim, das bis 1999 manchmal so voll war, dass die Leute im Stehen schliefen. Die Artillery Lane oder die Gun Street, die einen ahnen lässt, wie es sich lebte als Kriminalität, Prostitution und Armut das Sagen hatten. Dort, wo Jack the Ripper sein erstes Opfer Mary Ann zurück ließ, parken heute Autos. Das Viertel hat schlimme Zeiten gesehen.
Poppies Fish and Chips
In die 50er Jahre versetzt fühlen wir uns im Poppies: Diner-Stil und Elvis aus der Jukebox. Es heißt, hier gibt es die besten Fish & Chips überhaupt. Eingepackt in Zeitungspapier, ganz wie früher. Fakt ist: 2014 hat das Poppies den National Fish & Chips Award gewonnen. Wettbewerbe gibt’s …
Poppies Fish and Chips, 6-8 Hanbury Street
The Pride of Spitalfields
Zwölf Uhr, Zeit für ein Pint? Wir rücken im Pub ein. Okay, unsere Probiergläser haben das Format eines Schnapsglases, das Ambiente ist dafür um so typischer für einen East End Pub der alten Art: Blumenteppich, Schwarzweißbilder an den Wänden, Piano. Und Pubkatze Lenny auf dem roten Plüschsofa. The Pride of Spitalfields ist einer der immer weniger werdenden Free Houses. Das sind Pubs, die privat und unabhängig von einer Brauerei geführt werden.
The Pride of Spitalfields, 3 Heneage Street
Aladin
Jetzt wird’s richtig scharf. Das Curry House zählt zu den Top Ten der indischen Restaurants in London und ist der Gewinner des Taste Brick Lane Curry Award 2014. Prinz Charles war auch schon hier und ziemlich begeistert, verrät eine Urkunde am Eingang. „Nach meinem ersten Vindaloo konnte ich für den Rest der Tour nicht mehr sprechen“, warnt Nicole. So schlimm war’s dann doch nicht, aber unglaublich lecker. Gemüse, Lamm und Hühnchen in verschiedenen Schärfenuancen – selten habe ich ein so gutes Curry gegessen wie bei Sam im Aladin.
Aladin, 132 Brick Lane
Beigel Bake
Der Magen ist längst voll, aber das geht noch: Gepökeltes Rindfleisch mit Senf und saurer Gurke im Bagel. Der Laden von Mr. Sammy hat rund um die Uhr geöffnet, sieben Tage die Woche – und zwar seit fünfzig Jahren. Morgens gegen vier stehen die Feiermüden aus den umliegenden Bars schon mal Schlange. Eine Institution.
Pizza East
Wenn nix mehr reinpasst, ist immer noch ein wenig Platz für diese Sünde: Salted Caramel Tart. Das Pizza East ist eines der hippsten Restaurants in Shoreditch. Rustikales Essen im Shabby-Chic-Ambiente, lange Holztische, etwas dunkel – das Konzept funktioniert.
Pizza East, 56 Shoreditch High Street
Was ist euer Favorit, fragt Nicole? Klare Sache, the winner is: Aladin. Aber nur knapp, bei Beigel Bake und Pizza East war es auch echt lecker. Eigentlich überall. Ach, immer diese Fragen …
Die East End Food Tour startet von Montag bis Samstag um 10 Uhr am Old Spitalfields Market. Buchungen bei Eating London Tours unter www.eatinglondontours.co.uk; Kosten: 65 britische Pfund/Person.
Dieser Artikel wurde unterstützt von Eating London Tours.
3 Kommentare