Eine gefühlte Ewigkeit fahren wir bereits auf der staubigen Piste. Schon den Abzweig auf der R45 nach Paardeberg hätten wir beinahe übersehen, jetzt lässt uns Google vollends im Stich. Laut Skizze muss die Nuwedam Farm hier sein. Ist sie auch, wie ein winziges Schild an der Einfahrt schließlich verrät: Huis van Chevallerie.
Understatement passt zu Christa van La Chevallerie irgendwie. Wir sind verabredet auf ihrer Farm mitten im Nirgendwo und doch nur ein paar Kilometer von Malmesbury entfernt. Im Swartland, einer der momentan spannendsten Weinregionen in Südafrika, wo nicht nur Christas Trauben in 5-Sterne-Weinen Karriere machen, sondern auch sie selbst für Südafrika etwas ziemlich Außergewöhnliches produziert: einen Schaumwein Méthode Cap Classique aus Chenin Blanc von alten Buschreben, teils über 40 Jahre alt. Der wie Champagner in der Flasche zum zweiten Mal vergorene Wein duftet nach Brioche und schmeckt frisch nach Ananas und Limette. Feine Perlen und die unverkennbare mineralische Note machen Lust auf ein zweites Glas. Filia heißt der Sekt, lateinisch für Tochter. Sie hat ihn so genannt, weil die Trauben aus dem letzten Weinberg stammen, den ihr Vater 1976 gepflanzt hatte, bevor er starb.
Ich zeig euch erst mal die Weinberge, ruft Christa uns schon von Weitem zu, und schon schaukelt der Jeep zwischen den Reben hinterm dem Haus hinauf auf den Paardeberg. Seit vier Uhr ist sie an diesem Februartag bereits auf den Beinen, doch ihr quirliges Temperament zeigt keine Spur von Müdigkeit. Ihre mintgrünen Augen leuchten, während sie erzählt, was sie antreibt, ihr Lachen wirkt ansteckend. Christa ist eine Frau, mit der man Pferde stehlen könnte. Eine, die anpacken kann. Und das auch tut.
Dabei hatte sie gar nicht vor, Winzerin zu werden. Die Nuwedam Farm haben die Eltern 1957 gekauft, Christa ist hier aufgewachsen. Die Familie hat deutsche Wurzeln, ein paar Verwandte leben in Württemberg. Deshalb geht sie nach der Schule nach Deutschland. Kommt durch Zufall über ein Praktikum nach Weinsberg, findet Gefallen am Wein und studiert in Geisenheim. Daher auch ihr astreines Deutsch, in dem sie mit uns am Küchentisch parliert.
Zurück in Südafrika, folgen ab 1999 verschiedene Stationen bei den renommierten Weingütern Steenberg, wo sie lernt, Sekt herzustellen und Kaapzicht, wo Danie Steytler der beste Mentor ist, den sie sich vorstellen kann. Im Nachhinein betrachtet, alles kleine Puzzleteile, die erst später ein Bild ergeben werden. Für die Farm läuft es in dieser Zeit weniger gut, 2005 muss die Familie entscheiden: verkaufen oder neu aufstellen. Sie entscheiden sich für den Neuanfang. In Rosa Kruger finden sie eine hervorragende Beraterin und mit ihr einen Weg, das Potenzial der alten Reben zu nutzen.
Eine Dürre gab den Startschuss für Filia
Das Swartland, etwa 100 Kilometer nordöstlich von Kapstadt entfernt, ist ein sehr trockenes Land, mit extrem heißen Sommern (nur durch die Nähe zum Atlantik gemildert) und regenarmen Wintern. Auf den Schiefer- und Granitböden wachsen die Reben meist in Buschform, die Wurzeln müssen tief im Boden nach Wasser graben. Doch die Weine von alten Buschreben besitzen eine gute Struktur, keine oder nur geringe Bewässerung sorgt für geringen Ertrag und enorme Aromenkonzentration.
Christa verkauft Trauben an aufstrebende junge Winzer, deren Weine bald fünf Sterne im Platter’s Weinguide bekommen, die Höchstwertung. Elf 5-Sterne-Weine in vier Jahren. Irgendwann denkt sie sich, das kann ich auch.
Der Jahrgang 2010 war ein von Dürre geplagter, viel Ausfall, kaum Ertrag. Als sie feststellt, dass die Trauben perfekte Werte für einen Sektgrundwein haben, weiß sie: Jetzt ist der richtige Moment, das eigene Projekt zu starten, das sie schon so lange im Kopf hat: einen MCC. Also hat sie es angepackt. Filia war geboren.
Und bekommt bald Zuwachs. Die Farm hat 110 Hektar, davon sind 20 mit Wein bepflanzt. Alles Chenin Blanc, bis auf einen Pinotage-Block. Was tun mit der roten Sorte? Für ihre Chenin-Blanc-Abnehmer ist die Sorte vielleicht nicht aufregend genug, denkt sie, um die Trauben an die Genossenschaft zu geben, zu wenig (und zu gut).
Christa erinnert sich an einen Studienaufenthalt im Veneto. Inspiriert von Prosecco als Lifestyle-Getränk, entsteht Circa, ein Rosecco. Von Hand gelesen, als ganze Trauben gepresst und mit natürlicher Hefe aus dem Weinberg vergoren. Nur bei der Farbe braucht es ein wenig Unterstützung von Syrah, dem so genannten Swartland Spice, wie sie das hier nennen.
Auch der Circa ähnelt eher einem Champagner, wirkt elegant, nicht so süß wie andere Seccos. Und wie gemacht für eine der Partys auf der Stupp (afrikaans für Terrasse), zu der Christa gern einlädt. Dass es kein MCC ist, stört da wirklich keinen. Im Gegenteil, das ermöglicht ihr eine gewisse Flexibilität, mit verschiedenen Jahrgängen zu spielen.
Viel hat sie erreicht in den letzten zehn Jahren, nur eins ist sie bis heute geblieben: eine One Woman Show. Ich bin Weinbergarbeiter, Kellermeister, Abfüller und Vermarkter in einem, erklärt Christa. Aber das sei okay, Eben Sadie und Adi Badenhorst hätten schließlich auch eine Weile gebraucht, bis sie ernst genommen worden sind.
Wenn Christa sich selbst auch noch nicht am Ziel ihrer Träume sieht, eins scheint klar: Von dieser Frau wird man noch hören. Ihr Sekt spricht jetzt schon für sich.
10 Kommentare
Winzer faszinieren mich ebenfalls. Die Rebe will es trocken und sonnig, dann bilden sich beste Aromen. Aus Südafrika kommen viele gute Weine. Wo verkauft Christa ihre Weine?
Leider nur in Südafrika, die Menge ist einfach zu klein. Ein Grund mehr, mal hinzufahren 🙂
Mich faszinieren Frauen, die sich als Winzerinnen etablieren ja immer noch sehr, so auch Christa. Im vergangenen Jahr haben wir im Markgräflerland auch eine kennengelernt. Das sind immer super spannende Geschichten.!
Finde ich auch. Und dass sie es verdienen, dass wir über sie berichten.
One woman show auf dem Weinberg – Hut ab vor dieser Frau und ihren offensichtlich tollen Produkten!!
Ich durfte einige probieren und die sind klasse. Vor allem ihr eigener Sekt – fast wie Champagner.
Eine interessante Geschichte, Antje.
… und vor allem eine spannende Frau.
Hin und wieder trifft man jemand, der einem im Gedächtnis bleibt. Bei Christa van Chevallerie ist das so. Was sie macht, wie sie mit Situationen umgeht und vor allem ihre natürliche Art macht sie so symphatisch. Wir haben sie auf ihrer Farm das erste Mal überhaupt gesehen – und es war so, als ob man sich schon ewig kennt.
Das haben wir bei Südafrikanern schon sehr oft festgestellt: Viele der Top-Winzer, die wir getroffen haben, oder auch Spitzenköche, sind frei von Allüren und irgendwelchem Schick-Micki-Getue. Das kommt gut an – und so ist es für uns immer wieder eine Freude, wenn solche Treffen anstehen.
Andreas
Das ist so. Herzlich und ehrlich, man fühlt sich einfach wohl – und willkommen.