Ein mächtiges Farbengewitter zieht über Südafrikas West Coast, jedes Jahr so um den September herum, wenn die Wildblumen blühen. Außerhalb dieser Saison ist es dort aber auch ziemlich klasse. Dicke Hummer, coole Weine, gewaltige Wellen, exotische Muscheln, verschlafene Fischerdörfer – eine Tour von Kapstadt aus in den Norden ist ein wunderbares Kontrastprogramm zur grünen Garden Route. Nicht nur farblich.
Reichlich eine Stunde mit dem Auto dauert unsere Fahrt von Kapstadt über Durbanville Hills nach Darling, unserem ersten Stop an der Westküste von Südafrika. Die Wildflower Show im September haben wir zwar knapp verpasst, doch noch immer blüht es reichlich im Versfeld Reserve (Ortsausgang Darling, Richtung Yzerfontein) – mehr als 1.200 Arten wachsen hier.
Blumen ganz anderer Art gibt’s in der Darling Microbrewery, in der Kevin and Philippa Wood seit 2007 gutes Craft-Bier brauen. Ihr Konzept nennen sie Slow Beer. Weil die Fermentation ganz langsam vor sich geht. Wie überhaupt das Leben in der Region angenehm unhektisch abläuft. Inspiration finden die beiden in der Tierwelt: Geometrische Schildkröte, Pferdeantilope oder Honigdachs heißen drei der elf Biersorten. Verkosten kann man die im Tap Room der Brauerei.
Oder im Bistro 7 in der Main Street, wo wir zum Lunch einkehren: Der Straußenburger mit karamellisieren Zwiebeln, Salat und selbst gemachten Pommes Frites sowie der Pie, mit Springbok gefüllt, sind ein Gedicht. Ausnahmsweise bestellen wir keinen Wein zum Essen, sondern das Black Mist. Das dunkle Bier erinnert an ein Guinness, nur weniger cremig.
Bekannt ist Darling vor allem auch als aufstrebendes Weingebiet, in dessen kühlerem Küstenklima wunderbare Weine gedeihen: die so genannten Cool Climate Wines. Wer ein bischen Zeit hat, sollte einen Besuch der Weingüter Groote Post, Darling Cellars, Cloof oder Ormonde Wines einplanen. Groote Post bietet zudem Fahrten auf der Farm an, bei denen man Kudus, Buntböcke, Gnus oder Quaggas beobachten kann. Im Frühling verwandelt sich das Gelände in einen Teil der West Coast Spring Flower Route, die zu einem Picknick bei Tante Hilda’s Kitchen einlädt.
Nordwestlich von Darling, zwischen Yzerfontein und Langebaan, streckt sich der West Coast National Park am Atlantik entlang. Langebaan wirkt ziemlich (wassersport)touristisch, kein Wunder bei dem azurblauen Wasser, den weißen Stränden und nahezu lückenlosem Sonnenschein. Segeln, Surfen, Wasserski oder Kajak fahren sind das ganze Jahr über angesagt. Die Lagune ist aber auch ein Rastplatz für tausende Wandervögel, die in der Saldanha Bucht Kräfte sammeln für ihren Weiterflug.
Die Bucht und Saldanha lassen wir am späten Nachmittag zurück und kommen pünktlich zum Sonnenuntergang ins 45 Kilometer entfernte Paternoster. Was für ein Lichtspiel: Über dem Wasser leuchtet der Himmel erst orangegelb, dann zartgelb. Auf der Landseite strahlen die weißen Häuser von Paternoster (es gibt keine anderen) wie auf einer Leinwand in Pastellrosa und -blau. Das Farbenspiel dauert nur kurz, knapp 20 Minuten später ist es stockdunkel. Die Luft ist schwer von Jod und Salz.
Paternoster haben wir schnell erkundet: den Craft Market am Informationsbüro, wo die Frauen aus dem Ort leckere, selbst gebackene Koeksisters und Gingerbisquits verkaufen, die kleinen Boutiquen wie The Trading Post und die Stone Fish Gallery.
Der Ort ist ein bei Kapstädtern beliebtes Wochenendomizil. Noch ist er zu spüren, der Charme des verträumten kleinen Fischerdorfes mit den traditionell bunten Holzbooten, frei von jedem Rummel. Hoffentlich noch sehr lange.
Manche kommen ja eigens wegen dem Crayfish her, der nirgends so gut sein soll wie in Paternoster. Dessen Saison geht von November bis Januar. In dieser Zeit dürfen ihn auch Urlauber fangen, allerdings nur für den Eigenbedarf. Die Genehmigung kann man im Postamt kaufen. Leider halten sich nicht alle daran, so genannte Poacher versuchen das ganze Jahr über, ihren illegalen Fang für ein paar Rand zu verscherbeln. So wird der natürliche Bestand immer stärker gefährdet. Die Zucht ist nicht möglich, da die Larven 13 verschiedene Stadien durchlaufen müssen, in Gefangenschaft kaum zu realisieren.
Zu sehen gibt es nicht viel hier, genau das macht den Reiz aus. Einfach mal abschalten. Einen Strandspaziergang machen oder einen Ausflug zum letzten bemannten Leuchtturm Südafrikas. Der steht nur fünf Minuten entfernt im Cape Columbine Naturreservat, das wir über eine Sand-Buckelpiste erreichen. Das Tor schließt bereits um 17 Uhr, doch wer sich früh genug anmeldet, kann im Leuchtturm übernachten.
Das einzige farbige zwischen all den weißen Häuschen, ist das Voorstrandt Restaurant direkt am Strand. Perfekt für unseren Sundowner, ein Glas Groote Post Old Mans Sparkling.
Dinner bei Oep ve Koep. Ein typisches Fischerhaus, weiß getünchte Wände, Wellblechdach. Im Erdgeschoss der Winkel, eine Kombination aus Tante-Emma-Laden, Café (hhmmm, die Cupcakes …) und Küche. Mittendrin zwängt sich eine leicht windschiefe, steile Holztreppe ins „Restaurant“. Drei blanke Holztische unterm Wellblechgiebel, eine Designer-Glühbirne baumelt bis knapp über der Tischplatte. Neben der Treppe, im selbst gezimmerten Regal, der heilige Gral des Chefs: Einweckgläser mit den Essenzen aus Fynbos und von allem, was die Küste sonst noch so hergibt. Alles selbst gepflückt in den Dünen.
Gekocht wird nur auf Vorbestellung. Es gibt ein Menu um 19 Uhr, je nach Saison, fünf Gänge. Wer will, kann um zwei Gänge erweitern, Springbok hat auch gerade Saison.
Das Essen ist überraschend. Geschmacklich wie optisch eine vollkommen neue Interpretation (und wir haben durchaus schon einiges probiert). Der Clou: Jeden Gang kombiniert der Küchenchef mit Fynbos-Kräutern, Sukkulenten oder Pilzen, die dem Essen diesen unvergleichlichen Geschmack verleihen (der Schatz aus dem Regal). Säuerlich, salzig, anders als erwartet. Ein unbeschreiblicher Kick! Dazu passt am besten ein Wein von der Lamberts Bay, ein Stück weiter nördlich an der Westküste wie der Sauvignon Blanc von Teubes, einem kleinen Boutique-Weingut in Vredendal. Cool Climate, frisch und gehaltvoll.
Die Portionen sind klein, der Preis für lokale Verhältnisse gehoben (für Euro-Reisende trotzdem unverschämt günstig), das Erlebnis einfach unbezahlbar. Jeden Cent wert.
Nach einem ausgedehnten Strandspaziergang fahren wir am Sonntagmorgen ins nahe gelegene Velddrif, der Bokkoms-Hauptstadt der West Coast. Bokkoms sind gesalzene und getrocknete Fische, sehr beliebt bei den Einheimischen. Für eine Kostprobe sind wir zu früh dran, die Verkäufer an der Bokkom Avenue am Bergrivier Fluss noch mit Vorbereiten beschäftigt. Mehr über die Bokkoms-Industrie könnten wir im Fischereimuseum in Velddrif erfahren, doch uns hätte eher der Geschmack interessiert.
Fisch bekommen wir dennoch in den nächsten Stunden reichlich, wir haben im wohl urigsten Strandlokal an der Westküste reserviert: im Die Strandloper. Das Open-Air-Restaurant direkt am Strand von Langebaan ist zwar kein Geheimtipp mehr, aber immer noch ein Erlebnis. Vorausgesetzt, man isst gern mit den Fingern und holt sich sein Essen selbst vom Grill und aus dem brodelnden Riesenpott: zehn Gänge und zur Krönung den berühmten Westküsten-Hummer. Rauch von Holzfeuer mischt sich mit der Salzluft vom Meer, das Schreien der Möwen mit dem Gesang des Gitarrenspielers. Wein muss man selbst mitbringen, und so rücken die Einheimischen mit Eispacks und Kühltaschen an, deren Vorrat reichlich kalkuliert ist. Wenn’s doch nicht reicht: Gekühlte Getränke gibt’s auch an der Bar zu kaufen.
Den Rest des Tages verbringen wir am Strand. Nach dem 10-Gänge-Essen im Strandloper nicht die schlechteste Idee.
Infos & Adressen
– Groote Post Vineyards: Darling Hills Road, off the R27, Darling, www.grootepost.com
– Darling Wildflower Society, www.darlingwildflowers.co.za
– Darling Brewery & Tasteroom, 48 Caledon Street, Darling, www.darlingbrew.co.za
– Darling Wine Shop, 7 Main St, Darling, www.darlingwine.co.za
– Bistro 7, 7 Main St, www.bistrosevendarling.com
Routeninformation zum West Coast Way gibt’s unter www.westcoastway.co.za/west-coast-way-routes
10 Kommentare
Wir waren so begeistert von unserem 5500 Kilomter langen Roadtrip von Jobourg, über Blyde Canon, Krüger, St Lucia, Glenngarry, J-Bay, und Captown, so dass wir einen erneuten Besuch nicht ausschliessen- dann wäre die Westküste auf dem Programm bis nach Namibia- danke für deine coolen Tipps
Kann ich bestens verstehen! Ich war schon viele Male in Südafrika und bekomme nie genug davon. Die Westküste lohnt sich auf jeden Fall.
Straußenburger & Craft Beer = Paradies auf Erden!
Da müssen wir hin 😉
Unbedingt, es lohnt sich! Und auch die leckeren Weine solltet ihr probieren.
Interessante Regionen zeigst Du uns hier in deinem Blogpost, Antje! Die ansprechende Landschaft und das savoir-vivre sieht aus wie eine besuchenswerte Kombination.
Da es zum Baden zu kalt ist, sind dort eher die Surfer und Naturfans unterwegs. Die Westküste ist glücklicherweise noch lange nicht so frequentiert wie die Garden Route beispielsweise. Und tolle Fotomotive gibt es auch en masse.
Ich habe den Springbook-Geschmack gerade wieder auf der Zunge;-) Das Sonnenuntergangsmotiv ist an Romantik ja kaum zu übertreffen. Sehr schön Appetitanreger – landschaftlich und kulinarisch!
Ja, es ist herrlich dort. Man kann stundenlange Strandspaziergänge machen. Gerade auch bei Wind (der dort fast immer kräftig bläst) ein echtes Naturerlebnis.
In diese Ecke habe ich es bei meinen Südafrika Reisen bisher nicht geschafft, aber der Ort sieht aus, als ob er einen Besuch wert ist. Meeresfrüchte, Wein, dazu ein toller Sonnenuntergang – was will man mehr?
Ist er definitiv. Wenn möglich, solltet ihr nicht am Wochenende hinfahren, dann ist der Ort noch ursprünglicher als sonst.