“Langsam fahren, Enten jagen Schnecken”, warnt das Schild am Eingang des Weingutes. Kühe trotten an den Fässern vorbei, Hühner gackern umher, das Grün zwischen den Reben ist fast so hoch wie die knorrigen Rebstöcke selbst. Am Horizont erhebt sich die Silhouette des Simonsberges.
Die Reyneke Winery wirkt eher wie ein Bauernhof, weniger wie ein Weingut. Eigentümer Johan Reyneke selbst nennt sich Vine Hugger, was so viel bedeutet wie “Weinknuddler”. So steht es jedenfalls auf seinem T-Shirt. Eine Visitenkarte, die austreiben würde, wenn man sie ins Wasser legt, Farmleben zwischen den Reben – Johan Reyneke ist ein Winzer, der “lebt”, was er tut.
Reyneke ist das erste Demeter-zertifizierte, biodynamisch arbeitende Weingut in Südafrika. Das beginnt bereits im Weinberg. Zwischen den Reben wächst das, was der Untergrund gerade am nötigsten hat: Gemüsesorten anstelle von herkömmlichem Dünger, weil diese den Stickstoff binden. Wilder Löwenzahn als Lockmittel für Schmierläuse, damit diese die Rebstöcke in Ruhe lassen.
Johan setzt auf einen natürlichen Kreislauf bei der Weinproduktion – und auf Zeit. Langsam gären, lange reifen. Er kann warten. Johan gilt als der Philosoph unter den Winzern. Die Farm habe ihm die Augen geöffnet. Wenn er redet, bewegen sich seine Hände, als wollten sie etwas umschichten. “Wir borgen die Natur von der nächsten Generation”, sagt er. Vor 16 Jahren dann die ersten biodynamischen Experimente, die Skeptiker ließ er reden. Für ihn war es ein Weg, natürlichen Weinbau auf der nächsten Stufe zu betreiben. “Ein biodynamisch arbeitender Winzer hat das Ganze im Blick, im Idealfall einen sich selbst regulierenden Weinberg”, erklärt Johan. Andere mögen das nicht verstehen, doch Johan schläft besser, seit seine Kinder zwischen den Reben herumtollen können, die garantiert frei von Chemikalien sind.
Nächster Stopp, zwischen Paarl und Stellenbosch, auf den anderen Seite des Simonsberges. Simon Back, Wuschelkopf, Nerdbrille und mit dickem Schal um den Hals, wirkt, als sei seine Collegezeit noch nicht lange vorbei. Backsberg Estate ist das einzige Weingut in Südafrika – und nur eines von dreien weltweit – das karbonneutral wirtschaftet. Nicht organisch. Nicht biodynamisch. Einfach CO2-neutral. Und was heißt das? Ein paar Bäume pflanzen, damit die Bilanz ausgeglichen ist? Klar, haben sie. Eukalyptusbäume. Einen ganzen Wald. Eigentlich sind das Aliens, ziemlich wasserintensiv dazu. Doch Eukalyptusbäume wachsen besonders schnell und liefern den Rohstoff für erneuerbare Energie. Ihren Durst stillen sie übrigens mit dem Abwasser der Farm. Rund zehn Prozent ihres Landbesitzes, das entspricht 30 Hektar, hat die Familie zudem reserviert, um fast ausgestorbene Pflanzenspezies zu retten.
Fynbos ist der Oberbegriff für die einheimische Flora, die die Landschaft am westlichen Kap so einzigartig macht. Zwei Dinge sind den Backs besonders wichtig: Strom und Diesel sparen. Das sei einfacher als gedacht, sagen sie. Und handeln. Kaufen kleinere Traktoren, die verbrauchen weniger als gewöhnliche Spritfresser unter den Treckern. Betankt werden die mit Bio-Diesel – in der eigenen Station produziert. Die Lesezeiten haben sie vorverlegt, statt um 7.30 Uhr rücken die Arbeitstrupps bereits kurz nach 3 Uhr in den Weinberg aus. Vorteil: Die Trauben sind noch kühl von der Nacht. Die Gärung selbst erfolgt temperaturgesteuert, mit zirkulierendem Wasser. Doch statt Strom zu vergeuden, suchte Back nach Alternativen. Und fand sie im eigenen Stausee, dessen 15 Grad kaltes Wasser die Rotweintanks nun kühlt – in einem selbst gebauten Pumpkreislauf.
Ein paar Kilometer weiter, in Paarl, ein weißes Haus im kapholländischen Stil, die Weinberge reichen bis ans Haus. Zeit zur Abfahrt. Langsam watschelt die Gruppe zum Auto. Als alle an Bord sind, geht’s zur nächsten Parzelle. Stopp, alle wieder raus. Die Passagiere verteilen sich schnatternd zwischen den Zeilen. Touristen auf Weinsafari? Nein, bei Avondale kutschiert man – Enten. Die freuen sich gerade über ein leckeres Schnecken-Picknick. Und Winzer Jonathan Grieve ist die Plagegeister auf ganz natürliche Weise los. Der Kapstädter studierte zunächst Kunst. Kurz vorm Examen, befand er, dass er doch lieber Farmer werden wollte. Seine erste Handlung war es, 1999 bei Avondale ein neues Konzept für die heruntergewirtschafteten Böden zu entwickeln. Diese hatten unter der jahrelangen Monokultur und chemischem Düngereinsatz gelitten. Er verband die besten Elemente von biologisch und biodynamisch – Bio-logic heißt die Idee. Boden sei Leben, sagt Grieve. Er setzt auf natürliche Lösungen. Oder kosmischen Einfluss. Der Mondkalender gibt Pflanzrhythmus und Traubenlese vor, im Keller installierte Grieve eine ultramoderne Gravitationsanlage. “Wir sehen jedes Detail in unserer Farm als Teil eines lebendigen Kreislaufes – das Wasser, die Reben, die Menschen, den Weinbereitungsprozess.”
Und diese Harmonie könne man schmecken, davon ist Grieve überzeugt.
Drei spannende Weingüter am Kap, deren Weine man unbedingt mal probieren sollte. Geschrieben habe ich den Artikel 2013 für Die Welt.