Ins Theater gehen oder lieber auf den Berg? Warum nicht beides verbinden? Bei der Montafoner Theaterwanderung unterhalb der Madrisa erleben wir im Bergdorf Gargellen ein ganz besonderes Schauspiel.
Im Sommer wird die Landschaft im Montafon zur Bühne. Mit der neuen Inszenierung „Grenzerfahrungen am Zauberberg“ setzt das Ensemble teatro caprile seine erfolgreiche Reihe von Theaterwanderungen fort. Seit über zehn Jahren spielt die Gruppe im Hochgebirge und führt das Publikum auf 1.500 Metern Höhe unterhalb der Madrisa zu 14 Stationen mit 16 Szenen – eine wunderbare Mischung aus Naturerlebnis, Zeitgeschichte und Gegenwart.
Montafoner Theaterwanderung
Nebelfetzen hängen am Morgen noch in den Baumspitzen, als die Terrasse des Hotels Madrisa zum Sanatorium Schatzalp wird. „Oh, die Neuankömmlinge … hereinspaziert. Wir brauchen uns nicht in Acht zu nehmen, wenn wir husten, hier sind alle krank“, erklärt die Frau Oberin. Willkommen am Zauberberg, Thomas Mann lässt grüßen – und plötzlich sind wir mittendrin: Hans Castorp besucht seinen Vetter und wird selbst zum Patienten in dieser Anlehnung an den berühmten Roman, dessen Handlung nur wenige Kilometer entfernt spielt, im schweizerischen Davos.
Die Montafoner Theaterwanderung ist kein klassisches Theater. Die Kulissen sind hier nicht gemalt, sondern gewachsen. Bergwiese, Waldlichtung, Fluss – die Natur spielt ihre eigene Rolle, mal dramatisch, wenn Wolken tief über die Madrisa ziehen, mal heiter, wenn Sonnenstrahlen durch die Baumwipfel blitzen. Und das Publikum wandert mit, von Szene zu Szene. Historische Themen in und um Gargellen werden genauso aufgegriffen wie aktuelle Entwicklungen im Tourismus.
Das Ensemble von teatro caprile, das sind sechs Schauspieler, die in verschiedene Rollen wechseln: 16 Szenen an 14 Orten, fünf Stunden lang, mit einer Pause. Theater in Bewegung – im wahrsten Sinne.
Gargellen liegt unmittelbar an der Grenze zur Schweiz. Kein Wunder also, dass Schmuggler und Flüchtlinge seit jeher hier eine Rolle spielen. Als wir aus dem Ort heraus, hinauf zur Juliusruhe wandern, rennt plötzlich ein Schmuggler über den Weg. Verfolgt von einem Grenzschützer, der ihn mit der Flinte vor sich her treibt. Später begegnen wir einem Hochstaplerpaar, das sich nach einer Zechprellerei über die Grenze absetzen will.
Wie ein Spiegel der Gegenwart erscheint die Szene auf dem Panoramaweg, wo die einen Aussicht und Ruhe genießen wollen, andere jedoch lautstark am Handy ihren Daheimgebliebenen mitteilen müssen, wie wunderschön und still es doch in den Bergen ist – und damit genau diese Stille ruinieren. So herrlich aktuell. Mal ist es witzig, mal skurril – beispielsweise wenn Gämsen plötzlich auf Latein parlieren oder der vielerorts bereits gefürchtete Overtourism in Rot und Schwarz daherkommt.
Und so sieht das dann aus – hier ein paar Impressionen von der Theaterwanderung:
Nach knapp fünf kurzweiligen Stunden über Stock und Stein, am rauschenden Gebirgsbach entlang, durch Wälder und über Bergwiesen endet die Aufführung im Gargellener Ortsteil Vergalda. Wer möchte, kehrt zum Abschluss mit den Schauspielern in der Pizzeria Barga ein. Theater und Alltag vermischen sich noch einmal bei einem Glas Wein, bevor der „Vorhang endgültig fällt“.
Hotel Madrisa: Jugendstil in den Bergen
Das Hotel Madrisa ist mehr als eine Kulisse für die ersten Szenen. Der denkmalgeschützte Jugendstilbau unterhalb des Gargellener Hausberges ist eine Institution, seit mehr als 120 Jahren. Heute führt Familie Rhomberg die Geschicke: Mutter Monika kümmert sich um die Gäste, Tochter Johanna betreibt die hauseigene Landwirtschaft.
„Gargellen ist ein besonderer Ort inmitten der Berge. Fernab vom Trubel des Alltags. Ein Sehnsuchtsort für Menschen aus aller Welt“, heißt es auf der Website des Hauses. Man merkt schnell: Das ist keine leere Floskel.
In der Küche führt Zdenek Čepera Regie. Wenn der Koch nicht am Herd steht, sammelt er Pilze, keltert Wein oder zerlegt das Wild, das ihm der Jäger aus dem Vergaldnertal bringt. Das Fleisch vom Rind kommt aus der eigenen Landwirtschaft, wo die Tiere die Sommer auf den Montafoner Bergwiesen verbringen.
Seine Arbeit bleibt nicht unbemerkt. Auszeichnungen von Gault & Millau und Falstaff – zwei Hauben, eine Gabel – würdigen eine Küche, die inspiriert ist von der Natur und zugleich tief verwurzelt in der Region.
Das Hotel Madrisa ist Mitglied bei bewusstmontafon, einer Initiative, die sich für regionale Lebensmittel und den Erhalt der Kulturlandschaft stark macht. Denn im Montafon sind es vor allem die kleinen Familienbetriebe, die durch ihre Arbeit nicht nur Produkte erzeugen, sondern auch das Landschaftsbild pflegen.
Das Montafoner Braunvieh etwa war vor wenigen Jahrzehnten noch vom Aussterben bedroht. Dank engagierter Züchter haben sich die Bestände erholt. Die Tiere sind leichter als andere Rassen – ideal für das steile Gelände. Ebenso gefährdet war das Montafoner Steinschaf. Seit 1989 sorgt ein Zuchtbuch dafür, dass die alte Rasse erhalten bleibt. Heute wird sie wieder in ganz Vorarlberg und darüber hinaus gezüchtet.
Montafoner Resonanzen
Kultur im Montafon ist mehr als Theater und Kulinarik, sie wird im Tal gelebt. Jeden Sommer finden die Montafoner Resonanzen statt. Ein Festival, das seit mehr als 40 Jahren existiert, hervorgegangen aus den Sommerkonzerten. Jazz, Orgel, Kammermusik, Volksmusik, Crossover – die Vielfalt ist Programm.
Die Konzerte der Montafoner Resonanzen finden an ganz unterschiedlichen Orten statt: in Kirchen, im Wald, auf Alpenvereinshütten oder eben im Hotel Madrisa. In Gargellen gestaltet das Swing Tonic Trio den Genussabend so mitreißend als musikalische Zeitreise in die zwanziger bis fünfziger Jahre, dass die Gäste sogar zwischen den einzelnen Gängen Messer und Gabel mit der Tanzfläche tauschen.
Das Fünf-Gänge-Menü selbst ist ebenfalls hitverdächtig. Schon der Auftakt überrrascht und begeistert mich gleichermaßen: Sura-Kees-Aufstrich auf hausgemachtem Laugencroissant. Auf das hervorragende Rindertatar mit Erdäpfelkäse folgt Saibling nach Wiener-Schnitzel-Art, begleitet von Pfifferlingen. Das Hirschfilet trägt eine Nusskruste, verfeinert mit Vogelbeeren. Krönendes Finale: Mozartkugel mit Himbeeren, Pistazien – und wieder taucht der Sura Kees auf, diesmal als Eis.
Sura Kees: Kaum ein Produkt steht so sehr für das Montafon wie dieser Käse. Der „sura Kees“ ist fettarm, eiweißreich, leicht säuerlich im Geschmack. Eine Tradition, die seit dem 12. Jahrhundert besteht und zu den ältesten Käseherstellungen der Alpen zählt. 13 Sennalpen im Tal produzieren ihn heute noch. Entdeckt wurde der Sauerkäse wohl durch Zufall: Milch, die stehen blieb, dickte ein, wurde fest – und war plötzlich haltbar. Jahrhundertelang war er ein Grundnahrungsmittel. Später verdrängten Labkäse und fettere Varianten den mageren Bruder. Doch heute erlebt er eine Renaissance. Dank Initiativen wie bewusstmontafon ist er wieder auf den Speisekarten guter Restaurants angekommen.
Am Ende meiner kurzen Reise in den Montafoner Sommer fahre ich am nächsten Tag noch mal mit der Schafbergbahn hinauf. Die Madrisa liegt vor mir, in voller Schönheit: Gargellen hat seinen ganz eigenen Zauberberg.
Montafon: persönliche Reisetipps, Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten auf einen Blick
Hinkommen: Das Montafon liegt im Süden Vorarlbergs als 39 Kilometer langes Tal entlang der Schweizer Grenze. Mit dem Auto in unter drei Stunden von Stuttgart aus erreichbar über Ulm, Memmingen und Bregenz oder mit der Bahn über Lindau bis Schruns und von dort weiter mit dem Bus 670 nach Gargellen.
Übernachten: Hotel Madrisa, Gargellen 39, Gargellen, www.madrisahotel.com
Essen & Trinken:
- Restaurant und Dorfstube im Hotel Madrisa, Gargellen 39, Gargellen, www.madrisahotel.com
- Pizzeria Barga, Vergaldenweg 58a, Gargellen, barga.at
- Bergrestaurant Schafberg-Hüsli (direkt an der Bergstation der Schafbergbahn), www.montafon.at
Erleben: Montafoner Theaterwanderung „Grenzerfahrungen am Zauberberg“
Weitere Infos unter www.montafon.at sowie www.vorarlberg.travel
Transparenzhinweis: Dieser Artikel entstand in Kooperation mit Vorarlberg Tourismus. Bei meinen Recherchen nutze ich gelegentlich die Unterstützung von Fremdenverkehrsämtern, Tourismusagenturen, Veranstaltern, Fluglinien oder Hotelunternehmen. Dies hat keinen Einfluss auf Inhalt und Umfang der Berichterstattung.